Wie schon drüben im Blaster-Blog berichtet und die Hintergründe erläutert: Eine Wikipedia-Nutzerin hat sich eine ganz besondere Einnahmequelle mit Hilfe der Wikipedia einfallen lassen: Sie fügt selbst erstellte Fotos in Artikel der Wikipedia ein, ohne beim bzw. im Bild einen genauen Lizenzhinweis unterzubringen. Einen solchen verlangt sie aber, wie man auf der Großansicht eines solchen Bildes nachlesen kann. Wer nun einen solchen Wikipedia-Artikel ganz korrekt im Rahmen der Lizenz übernimmt (also auf die Quelle hinweist, diese verlilnkt und so weiter), aber beim Bild keinen zusätzlichen Lizenzhinweis unterbringt – den Artikel also beispielsweise 1:1 aus der Wikipedia mit allen dort vorhandenen Lizenzhinweisen übernimmt – wird abgemahnt. Begründung: die Fotografin sei „nicht gewillt, eine derart eklatante Verletzung [ihrer] Rechte hinzunehmen“, denn für das Bild würde der gesonderte Lizenzhinweis fehlen.
Das ist ein durchaus interessantes Geschäftsmodell. Denn geht es nach Wikipedia-Nutzerin Martina Nolte, soll ich ihr 1400 Euro bezahlen, weil der Web-Blaster die Wikipedia, wie alle anderen Webseiten auch, auf expliziten Wunsch des Nutzers durch den Assoziations-Blaster jagen kann. Dies sieht sie als entsprechend lizenzwidrige Vervielfältigung an.
Abgesehen davon, dass der Web-Blaster nur eine Art alternativer Browser ist, keine Einbindung, Vervielfältigung oder Übernahme der geblasteten Webseiten stattfindet, keine missbräuchliche Nutzung der Wikipedia vorliegt, es sich nicht um einen Wikipedia-Mirror handelt, weder die Wikipedia noch ein Autor „beklaut“ wird oder irgendwelche Lizenzhinweise unterschlagen werden – auf all das will ich hier nicht näher eingehen – ist das Vorgehen von Frau Nolte durchaus interessant: Die Wikipedia ist ausdrücklich eine freiheitliche Enzyklopädie, was in diesem Fall bedeutet, dass die Inhalte weitergenutzt werden können und sollen. Natürlich mit entsprechendem Hinweis auf die Quellen. Es liegt ja im Wesen einer freien Enzyklopädie, dass die Inhalte auch frei genutzt werden können.
Frau Nolte möchte aber eine Sonderrolle: sie will bei jedem einzelnen Bild explizit namentlich erwähnt werden. Wer also einen Artikel mit einem Bild von Frau Nolte ohne Nennung irgendwo weiterverwendet und ganz korrekt auf die Wikipedia verweist, begeht nach ihrer Sicht dennoch eine Lizenzverletzung: denn sie wurde bei dem Bild nicht erwähnt. Da sie dies sogar für Thumbnails verlangt ist die Vermutung naheliegend, dass es sich um eine Täuschung zum Zwecke der Lizenzgebühren-Eintreibung handelt. Dies widerspricht – unabhängig von einer rechtlichen Bewertung – dem Gedanken einer freien Enzyklopädie.
So schreibt sie in einer Antwort an meinen Anwalt Thomas Stadler:
Die kostenlose Nutzung meiner genannten Fotos setzt die vollständige Einhaltung des Lizenzvertrags Creative Commons by-sa 3.0. de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode, Volltext im Anhang) voraus.
Eine Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung, wie sie durch Einbindung von Wikipeda-Inhalten in die Internetseite Ihres Mandanten erfolgt, verlangt vertragsgemäß:
- Die Urhebernennung "Martina Nolte" (mindestens so hervorgehoben wie Hinweise auf die übrigen Rechteinhaber) an jeder Kopie,
- den angegebenen Bildtitel und alle dazu gehörenden Rechtevermerke an jeder Kopie,
- den Lizenzvertrag oder die vollständige Internetadresse http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode bei jeder Kopie
Anderenfalls erlöschen die eingeräumten Nutzungsrechte automatisch und vollständig.
[...]
Dass ich bei der Einbindung dieser Fotos in und der Wiedergabe auf weitere/n Seiten der Wikimedia Foundation eine durch einen Link auf die jeweilige Original-Bildseite nur indirekte Nennung meiner Urheberschaft und der Bildlizenz dulde, hat keinerlei vertragsändernde Wirkung gegenüber anderweitigen Nutzungen meiner Bilder.
Sprich: sie räumt der Wikipedia mehr Rechte ein als Nutzern, die Texte der Wikipedia (legal im Rahmen der Lizenzbedingungen der Wikipedia) verwenden. Dies macht sie offensichtlich mit dem Ziel, nachher von diesen Nutzern Lizenzgebühren zu kassieren.
Interessanterweise hat sie nicht aufgeführt, welche Browser und Suchmaschinen von den erweiterten Lizenzbedingungen ebenfalls ausgenommen sind. Da bieten sich sicherlich noch ein paar Bereiche zum Ausweiten des Geschäftsbetriebs …
Nachtrag: Martina Nolte hat 2006 beantragt, dass alle ihre Fotos aus Wikimedia Commons gelöscht werden sollen. Laut der Diskussion dort soll sie damals Bilder in Wikimedia Commons veröffentlicht haben, an denen sie nicht die nötigen Rechte hätte, weil sie diese bereits an die VG Bild-Kunst abgetreten habe. Eine Sperrung der Nutzerin wurde damals diskutiert. Bei dem aktuellen Fall ist daher interessant, dass alle Bilder, um die es jetzt geht, erst 2009 hochgeladen wurden, die meisten davon im März. Es besteht also ein zeitlicher Zusammenhang mit der Abmahnung.
Nachtrag 2: Um Missverständnisse im hier konkreten Fall auszuräumen nochmals der Hinweis, dass im Web-Blaster keine fremden Inhalte, auch nicht aus der Wikipedia, kopiert bzw. übernommen werden. Schon gar nicht werden irgendwelche Lizenzhinweise entfernt, unterdrückt oder anderweitig bearbeitet. Am besten selbst ausprobieren. Spezifische Diskussionen zum Web-Blaster wären beim Bericht im Blaster-Blog besser aufgehoben.
Ingesamt stellt sich die Frage, warum es in der Wikipedia möglich ist, Bildern solch abweichende Lizenzbedingungen zu geben. Die Nutzer dürften im Allgemeinen davon ausgehen, dass alle Inhalte in der Wikipedia im Sinne der GFDL weiterverwendet werden dürfen. Wenn hingegen jeder Nutzer Beiträge bzw. Teile von Beiträgen (die Fotos) unter einer eigenen Lizenz veröffentlichen kann, oder einer, die diese Weiterverwendung unpraktikabel einschränkt, ist das sicherlich nicht im Sinne der Wikipedia. Dies betrifft zu Beispiel auch automatisch erstellte Versionen für PDAs oder Mobiltelefone, gedruckte Versionen und so weiter.
Dies erst einmal unabhängig vom konkreten Fall mit dem Web-Blaster, denn dort findet keine Vereinnahmung der Inhalte oder ähnliches statt. Er leitet diese nur auf expliziten Nutzerwunsch durch, entfernt keine Urheberrechtshinweise, weist deutlich auf sich selbst hin, verweist auf die Originalseiten usw.
Dazu als Nachtrag 3: Hier noch die aktuelle Antwort meines Anwalts auf obigen Brief (eventuelle Tippfehler von mir).
Das Missverständnis besteht offenbar darin, dass Sie eine vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung unterstellen. Unser Mandant vervielfältigt aber nichts und macht auch nichts öffentlich zugänglich. Ihre Fotos werden bereits durch Sie selbst und Wikipedia öffentlich zugänglich gemacht. Unser Mandant stellt lediglich ein Tool zur Verfügung, das es dem Nutzer ermöglicht, bereits online befindliche Inhalte darzustellen. Der bloße Verweis auf bereits öffentlich zugänglich gemachte Inhalte stellt aber keine urheberrechtlich relevante Handlung dar. Unser Mandant kopiert Ihre Fotos auch nicht, sondern verlinkt lediglich auf die Quellen bei Wikipedia.
Ungeachtet dessen, ist Ihr vorgehen aber auch treuwidrig. Sie binden nämlich selbst Ihre Fotos bei Wikipedia ein, in dem Bewusstsein, dass auf den Artikelseiten von Wikipedia keine unmittelbaren Urhebervermerke angebracht sind. Was Sie beanstanden, ist im Grunde, dass die Art der Einbindung von Fotos in die Wikipedia-Artikel nicht den Anforderungen einer CC-Lizenz entspricht. Das mag so sein. Das können Sie aber nicht beanstanden, solange Sie eine solche Einbindung in Wikipedia-Artikel selbst vornehmen.
Weiterer Erörterungsbedarf besteht aus unserer Sicht nicht. Wenn Sie in der Sache Klage erheben wollen, dann bitten wir darum, uns als zustellungsbevollmächtigt zu benennen.
Etwas ähnliches macht übrigens Google mit seinem Übersetzungsservice: Auch da kann man beliebige Seiten übersetzen lassen.
Kurzinfo zum Blaster: Der Assoziations-Blaster ist ein „interaktives Textnetzwerk“, er verlinkt Texte untereinander anhand von Stichwörtern (Wikipedia-Eintrag zum Blaster). Die Texte und Stichwörter kommen von den Nutzern. Der Blaster hat dieses Jahr sein 10-jähriges Jubiläum, Dragan und ich arbeiten an einer neuen Version. Der Web-Blaster ermöglicht es, beliebige Webseiten anstatt nur der Texte im Blaster zu „blasten“.
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