November 2008 Archive

Auf die Forderung von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen nach Internet-Filtern gegen Kinderpornographie habe ich einen Offenen Brief an ihr Ministerium verfasst. (eine Antwort ist auch da)

 

 
Sehr geehrte Frau Ministerin,
sehr geehrte Damen und Herren,

Ich wende mich an Sie sowohl als Vorstandsmitglied des Fördervereins
Informationstechnik und Gesellschaft e.V. (FITUG) als auch als Bürger
und Vater einer fast zweijährigen Tochter.

Sie haben sich im Kampf gegen Kinderpornographie im Internet für
Internet-Sperren ausgesprochen. Der Kampf gegen Kinderpornographie und
gegen (sexuellen) Mißbrauch von Kindern ist eine sehr wichtige und
notwendige Sache!

Allerdings möchte ich eindringlich davor warnen, hierbei die falschen
Mittel anzuwenden. Denn diese schonen nicht nur die Täter, die weiterhin
ihren abscheulichen Taten nachgehen. Die falschen Mittel sind auch sehr
gefährlich für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, da sie
auf der einen Seite nur wie ein Placebo wirken, auf der anderen Seite
aber sehr große Kollateralschäden anrichten.

Internet-Sperren sind im Kampf gegen Kinderpornographie der falsche Weg.

Sie verweisen auf das Beispiel Schweden und sprechen von rund tausend
Internet-Seiten, die kinderpornographische Inhalte hätten. Die Liste der
in den skandinavischen Ländern gesperrten Webseiten ist im Internet
schon lange bekannt. Dadurch ist ebenso bekannt, dass die überwiegende
Mehrzahl dieser Webseiten in den USA sowie Deutschland (!) und anderen
Europäischen Ländern betrieben werden. In allen diesen Ländern ist
Kinderpornographie nicht nur verboten sondern deren Verbreitung wird auch
aktiv verfolgt. Die Täter könnten also verfolgt werden.

Anstatt also die Seiten zu sperren und die Täter unbestraft davonkommen
zu lassen, wäre es sinnvoller und effektiver, die Täter zu verfolgen
und zu bestrafen. Denn die Täter machen sonst einfach ruck-zuck eine
neue Seite auf und das Spiel geht wieder von vorne los.


Internet-Sperren haben immer eine Reihe von Nachteilen: So haben sie
Nebenwirkungen und in vielen Fällen werden vollkommen unbeteiligte
Seiten blockiert. Eine umfangreiche Filter-Infrastruktur und Methoden,
wie sie in China angewendet werden, könnten dieses Problem zwar ein
wenig reduzieren. Dennoch, Internet-Sperren sind bei der Zielgruppe
wirkungslos. Pädokriminelle wissen, wie sie die Filter umgehen können.

Wenn Sie also etwas gegen Kinderpornographie unternehmen wollen, dann
sorgen Sie dafür, dass die Täter verfolgt werden.


Sie werden sich vielleicht fragen, warum ich Ihnen schreibe: Ich bin
weder Produzent noch Konsument noch Besitzer von Kinderpornographie. Aber
ich beschäftige mich bereits seit Jahren mit dem Thema
Internet-Filter/Sperrungen/Zensur, habe selbst entsprechende
Filter-Software programmiert und diese in wissenschaftlichen Experimenten
eingesetzt. Die Gefahren solche Systeme sind mir daher bewusst:

http://odem.org/insert_coin/

Diese Arbeit wurde mit dem Internationalen Medienkunstpreis 2001
ausgezeichnet.


Ich habe mich bereits bei ähnlichen Filter-Vorschlägen umfangreich mit
dem Thema beschäftigt und auf die Gefahren solcher Filter hingewiesen.
Die Gefahren sind nicht abstrakt sondern real!

http://odem.org/informationsfreiheit/


Selbstverständlich stehe ich Ihnen für Fragen zur Verfügung.

Grüße
Alvar C.H. Freude

In der Zwischenzeit ist auch schon eine Reaktion angekommen, die auf wenig Medienkompetenz im Bundesfamilienministerium hindeutet.

 

Aktuelle Kommentare

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