Januar 2011 Archive

Bei der Einsetzung der Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages war ein wesentliches Element die Beteiligung der Bürger insgesamt als „18. Sachverständigen“. Deswegen haben wir ein Beteiligungskonzept ausgearbeitet und verschiedene Systeme begutachtet. Die endgültige Wahl fiel dann auf Adhocracy. Sowohl das Beteiligungskonzept als auch die Einsetzung von Adhocracy wurden in der Enquete-Kommission einstimmig – also auch mit den Stimmen der Koalition – beschlossen.

Heute hat nun die IuK-Kommission des Ältestenrates des Bundestages mit den Stimmen der Koalition diese Beschlüsse gekippt. Adhocracy kann damit nicht eingesetzt werden.

Am Mittwoch erschien bei ZEIT ONLINE ein Interview mit mir zum Thema Vorratsdatenspeicherung, das einiges Aufsehen erregt hat. Warum sei ich mit einem mal gegen das gute Quick Freeze, und warum würde ich mich für die böse Totalüberwachung jeglicher Kommunikation einsetzen? Sei ich etwa von der SPD infiltriert worden?

Nun, so neu ist das was ich gesagt habe alles nicht. Ich bin gegen die Vorratsdatenspeicherung, aber widerspreche so manchem Fundi in einigen Punkten: Quick Freeze halte ich schon immer für Augenwischerei und die Speicherung von IP-Adressen als Totalüberwachung zu bezeichnen schon immer für unsäglichen Unfug. All das habe ich schon vor Jahren öffentlich geschrieben. Eine differenzierte und die einzelnen Gefahren einbeziehende Analyse ist notwendig.

Daher beleuchte ich im Folgenden einige Punkte ein wenig genauer. Insbesondere sollte man unbedingt zwischen der Speicherung von IP-Adressen und der Speicherung von Kommunikationsdaten unterscheiden:

  • Über die Speicherung von IP-Adressen
    Es ist schlicht falsch, dass mit der Speicherung von IP-Adressen die vollständige Nachvollziehbarkeit des Kommunikationsverhaltens und die Erstellung von Bewegungsprofilen von allen Internet-Nutzern ermöglicht wird. Hier ist aufgrund technischer Fakten eine differenzierte Betrachtung nötig.
  • Protokollierung von E-Mail- und Telefondaten
    Dies ist die große Gefahr der Vorratsdatenspeicherung: Erlaubt die Erstellung von Nutzungsprofilen und mehr. Ist aber getrennt von IP-Speicherung zu betrachten!
  • Warum Quick Freeze Unfug ist
    Entweder ist es Augenwischerei, weil nur das gefreezt werden kann, was auch vorhanden ist – logisch! – oder es müssten Mindestspeicherfristen her oder es müsste eine umfangreiche Überwachung bei minimalstem Verdacht erfolgen. 
  • Konkrete Lösungsvorschläge
    Als Folge aus den vorherigen Punkten ergibt sich ein Lösungsvorschlag: Speicherung von IP-Adressen für 60 bis 90 Tage, so wie es vor der Vorratsdatenspeicherung Jahrelang üblich war, aber mit Informationspflichten. Keine Speicherung von Kommunikationsdaten (E-Mail- und Telefon-Verbindungs- bzw. Verkehrsdaten) oder nur für max. sieben Tage mit sehr hoher Auflage für die Herausgabe.

[Update 22.1.2011] Wichtig für die gesamte Diskussion ist dabei: Meine Lösungsvorschläge bieten aus Sicht der Bürgerrechte und des Datenschutzes eine deutliche Verbesserung gegenüber der Situation, wie wir sie beispielsweise 2005 vor Einführung der Vorratsdatenspeicherung hatten (beispielsweise gelten erweiterte Prüf- und Informationspflichten sowie strengere Hürden für die Herausgabe von E-Mail- und Telefon-Verbindungs-Daten). Erst recht sind sie eine deutliche Verbesserung gegenüber der Vorratsdatenspeicherung oder gar dem, was CDU/CSU fordern. Gleichzeitig sind sie Praxistauglich und beziehen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes ein. [Ende Update]

Die Beschreibung hier ist sicherlich nicht erschöpfend, aber vielleicht kann das ganze so auf eine sachlichere Basis gestellt werden.

Die Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung besteht im Prinzip aus zwei Teilen. Beide gehören streng genommen nicht zusammen, werden aber meistens zusammen diskutiert. Das löst oft zwei komplett gegensätzliche Behauptungen aus: Auf der einen Seite „wir brauchen das aber, sonst gibt es einen rechtsfreien Raum im Internet“, und auf der anderen Seite steht die Angst vor der Totalüberwachung jeglicher Kommunikation. Realistisch betrachtet passt aber beides jeweils nur auf einen der beiden Teile des Diskussionskomplexes.

Diese Teile sind:

  • Die Speicherung welche IP-Adresse wann wem zugeordnet war
  • Die Speicherung von allen Kommunikationsdaten wie beispielsweise wer wem wann eine E-Mail geschrieben oder wer wann mit wem wo telefoniert hat

Letzteres halte ich nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Grundgesetzes vereinbar und war daher bei der Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung einer der Beschwerdeführer. Ersteres ist in vielen Fällen zur Strafverfolgung unbedingt nötig, aber greift nicht relevant in die Privatsphäre der Bürger ein. Im Ergebnis sieht beides das Bundesverfassungsgericht zum Glück auch so, und hat eine solche Differenzierung im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung angelegt. 

Und nun zur ausführlichen Begründung:

 

Aktuelle Kommentare

  • Timo: Hier ein interessanter Artikel über die SCHUFA und was sie weiter lesen
  • Pa: If your government (or company or school) blocks youtube site, weiter lesen
  • Egal: Noch ein Leak: Der Alvar hat auch ein Gutachten zur weiter lesen
  • Alvar: Zur Info: Nebenan habe ich unter http://blog.alvar-freude.de/2014/01/gutachten-vorratsdatenspeicherung.html ein technisches Gutachten weiter lesen
  • Robert L.: Ich finde das mit den rechtlichen Rahmenbedingungen gar nicht so weiter lesen
  • Anonym: ...genauer gesagt, war die auskunft der bahncard-kreditkarten-hotline, dass der verfügungsrahmen weiter lesen
  • tatata: die information stammt aus zwei telefonaten mit der commerzbank. ich weiter lesen
  • Alvar Freude: Hast Du nähere Infos darüber, dass die Bahn die Entscheidungen weiter lesen
  • tatata: das problem ist nicht die commerzbank. es ist die bahn. weiter lesen
  • Medyum: daß User auf Selbstzensur setzen, die wie Sie sicher wissen weiter lesen

Über dieses Archiv

Diese Seite enthält alle Einträge von ODEM.blog von neu nach alt.

Dezember 2010 ist das vorherige Archiv.

Februar 2011 ist das nächste Archiv.

Aktuelle Einträge finden Sie auf der Startseite, alle Einträge in den Archiven.