Dezember 2008 Archive

Zugegeben, der Titel ist provokant. Im Zuge der Diskussion über Internet-Sperren für kinderpornografische Webseiten wird aber immer wieder gerne suggeriert, es gäbe massenweise Webseiten mit offen zugänglicher Kinderpornographie, die nur noch gesperrt werden müssten und dann wird alles gut.

Dies ist falsch, wie auch eine wissenschaftliche Analyse von Korinna Kuhnen zeigt:

[Es] lassen sich weder durch polizeiliche Ermittlungen noch durch wissenschaftlich motivierte Untersuchungen Belege dafür finden, dass sich die Existenz von Kinderpornographie „im Internet“ generell durch eine leichte Verfügbarkeit oder offene Präsenz auszeichnet.

[...]

Damit ist Kinderpornographie im Internet grundsätzlich nicht von einer offenen, sondern von einer versteckten Präsenz gekennzeichnet. Einer Präsenz, die aktiv aufgesucht werden muss und die mit einer „leichten Verfügbarkeit“ wenig zu tun hat.

Korinna Kuhnen: Kinderpornographie und Internet; Göttingen, 2007: Hogrefe Verlag; Seite 132f.

 

In ihrer Analyse hat Kuhnen beschrieben, wie es um die Verfügbarkeit von Kinderpornographie steht. Zusammengefasst kann man sagen, dass es im Web – also dem Teil des Internets, den man mit dem Web-Browser wie dem Internet-Explorer oder Firefox nutzt – keine offenen und dauerhaft zugänglichen strafbaren kinderpornografischen Inhalte gibt. Die wenigen tatsächlich vorhandenen kinderpornographischen Angebote zeichnen sich dadurch aus, dass sie i.d.R. versteckt und nur kurzzeitig erreichbar sind, bis sie geschlossen werden oder umziehen.

Mit etwas Hintergrundwissen zum Internet bzw. Web lässt sich dies auch leicht erklären: der sexuelle Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Kinderpornographie ist in fast jedem Land der Welt nicht nur verboten, sondern auch gesellschaftlich geächtet. Ein Web-Server (und die für diesen verantwortliche Person) ist immer mit relativ einfachen Mitteln aufzuspüren, es ist also klar wo die entsprechenden Inhalte liegen. Eine Entfernung der Inhalte auf dem Server und eine Verfolgung der Täter ist möglich, wenn sie offen agieren.

Voraussetzung für eine Sperre ist eine konkrete und dauerhafte Adresse mit entsprechendem zu sperrendem Inhalt. Zwar werden immer wieder hauptsächlich Provider, die kostenlosen Webspace anbieten, für die Verbreitung kinderpornographischer Materialien genutzt, die Inhalte sind dort aber schneller verschwunden als eine Sperre greifen würde. Wirklich dauerhaft erhältliche für jedermann offen zugängliche Hardcore-Kinderporno-Angebote gibt es quasi nicht, auch wenn die Entfernung bei manchen Angeboten in Absurdistan länger dauert. Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass ich behaupte im Internet gäbe es gar keine Kinderponographie. Nur keine offene und dauerhaft zugängliche.

Die finnische Sperr-Liste zeigt dann, dass die Mehrheit der Webseiten mit angeblicher Kinderpornographie in den USA und Westeuropa gehostet werden. Wenn es sich also tatsächlich um Kinderpornographie handelt, stellt sich die Frage was besser ist: die Inhalte zeitnah entfernen und die Täter verfolgen – oder den Zugang zu den Inhalten für diejenigen Blockieren, die sie sowieso nicht anschauen?

Was als Kinderpornographie blockiert wird zeigt das – laut Bundesfamilienministerium vorbildlicheBeispiel Großbrittanien und die dortige Wikipedia-Sperre. Selbst wenn man die Sperre für gut halten sollte ist klar, dass es Schwachsinn ist den Artikel zum Scorpions-Album Virgin Killer, aber nicht das Bild selbst zu blockieren. Und auch bei dem Bild mag man sich darüber streiten, ob das sonderlich geschmackvoll ist. Illegal ist es aber sicherlich nicht.

Auf der anderen Seite zeigt dieser Fall, was in solche Sperrlisten aufgenommen wird: die britische Internet Watch Foundation lässt nach eigener Aussage alle möglicherweise illegalen Inhalte blockieren. Möglicherweise illegal! Ein genauerer Blick auf die Liste wäre da sicherlich sehr aufschlussreich …

 

Das bedeutet alles nicht, dass es keine Kinderpornographie im Internet gibt. Nur zeichnen sich entsprechende Angebote dadurch aus, dass sie hauptsächlich gut versteckt und nicht dauerhaft erhältlich sind. Wer also wirklich etwas gegen die Verbreitung und vor allem gegen die Herstellung von Kinderpornographie – und damit gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern – unternehmen möchte, wäre gut beraten andere Methoden als Internet-Sperren zu fordern. Zum Beispiel eine verstärkte internationale Zusammenarbeit und die Verfolgung der Täter.

 

Es mag sein, dass Ursula von der Leyen, Uwe Schünemann und so manch anderer Akteur tatsächlich glauben, sie tun etwas gutes. Aber sie sollten mal genauer kontrollieren, mit welchen Beratern, Lobbyisten und anderen Zuflüsterern sich ihre Mitarbeiter, die ihnen solchen Unfug wie Internet-Filter gegen Kinderpornographie empfehlen, herumtreiben.

Denn: Es geht nicht um Kinderpornographie. In Hessen fiel ja schon die Maske, ich vermute unabsichtlich früh. Das zeigt: es geht ums Geld. Wie immer. Die Schlange der Interessenten für entsprechende Filter ist groß. Missbrauchte Kinder sind nur der Vorwand, um ein Filter-System zu etablieren – mit dem dann natürlich auch viele andere Inhalte gefiltert werden können. Die Kinder werden also noch ein zweites mal missbraucht.

Anstatt mit bloßem Aktionismus zu glänzen wäre es besser, die Ermittlungsbehörden würden mit ausreichend kompetentem Personal ausgestattet werden, um die Täter zu verfolgen. Auch wenn dies nicht ganz so öffentlichkeitswirksam ist: Das hilft Kinder zu schützen.

 

Was ist schlimmer als Inkompetenz?

Aktionismus zusammen mit Inkompetenz.

Jüngst forderte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann, dass alle Internet-Nutzer dazu verpflichtet werden sollen, lokale Internet-Filter gegen Kinderpornographie zu installieren. Dass dies vollkommener Quatsch ist, brauche ich hier nicht weiter auszuführen, das wurde an anderer Stelle sogar für Menschen, die keine Computer nutzen, verständlich erklärt.

Die Frage ist eher, welche Art von vermeintlichen „Experten“ denn im niedersächsichen Innenministerium zu arbeiten. Sind die entweder fachlich inkompetent sind oder trauen sich nicht, ihrem Innenminister zu sagen, dass seine Idee vollkommener Blödsinn ist? Oder gibt es diese Experten gar nicht und der Minister hat nur phantasiert?

Eine mögliche Antwort könnte dieses Linkedin-Profil bzw. dieses XING-Profil mit den Links zur Firmen-Webseite bzw. zur privaten Homepage sein. Stand 18. Dezember 2008 leiten die auf ganz aufschlußreiche Webseiten weiter …

 

Die nächste große Frage, die sich hier (wie auch bei Ursula von der Leyen) stellt: wie kommt Schünemann auf die Idee, dass es denn überhaupt massenweise sperrbare, also offen sichtbare und dauerhaft an gleicher Stelle verfügbare Kinderpornographie im Internet gebe? Das gibt es schlicht nicht, Details dazu kommen demnächst.

Und selbst wenn es die gäbe frage ich mich, warum ein Innenminister – also für Sicherheit und Ordnung zuständig – statt einer Verfolgung der Täter den Bürgern, die sowieso nicht hinschauen, lieber die Augen zuhalten will. Das schützt die Täter und beleidigt die Opfer.

 

Vor einer Weile habe ich das neue Petitions-System des Bundestages der araneaNET GmbH kritisiert. Das Fazit: es hat eine grottenschlechte Benutzerführung, ist eine technische Katastophe, verletzt Datenschutzgesetze, ist alles andere als Barrierefrei und widerspricht in vielen Punkten den für dieses Projekt vom Bundestag selbst gestellten Anforderungen (Details dazu).

Just dieses Machwerk hat nun einen Preis gewonnen. Unverständlicherweise aber nicht den für die schlechteste Webseite der öffentlichen Verwaltung, sondern den „Politikaward 2008“ der Zeitschrift „politik&kommunikation“ in der Kategorie Innovation.

Innovation? Für ein gammeliges Forum? Sitzen in der Jury denn lauter Internet-Ausdrucker, die nur eine wohlklingende Beschreibung des Systems gesehen haben?

Denn der Kriterienkatalog für den Politikaward fordert eigentlich ein mehr:

Ohne Neuerung bleibt Stillstand. Internetportale, neue Medien, neue Techniken der Mobilisierung: Die Bereiche der politischen Kommunikation, in denen neue Ideen den entscheidenden Vorsprung garantieren, sind vielfältig. Der Politikaward ehrt die Instrumente und Methoden der politischen Kommunikation, die neue Wege beschritten haben, um Menschen von ihren Ideen zu überzeugen.

 

Offensichtlich ging es der Jury nur darum, dass man nun auch online eine Art Unterschriftenliste hat. Aber auch das ist schon ein alter Hut. Heutzutage wäre eine vorbildliche Umsetzung gefragt, dann wäre ein solcher Preis nachvollziehbar. So aber nicht.

In seinem Kommentar zur Preisvergabe hat Christian Heise die Problematik der Petitions-Webseite gut zusammengefasst:

Die schlechte Umzetzung vor allem in den Bereichen der Barrierefreiheit, der Möglichkeiten Petitionen online einzureichen und im Bereich des Datenschutzes schwächen das Petitionsverfahren und damit die moderne Demokratie in diesem Land. Darüber hinaus untergräbt das System das direkte Beteiligungsverfahren der Petitionen und schädigt zukünftige Projekte in diesem Bereich nachhaltig. Anstatt in eine vernünftige und zukunftsweisende Lösung zu investieren, die das demokratische Verfahren der Petition stärkt, hat man sich offensichtlich für die günstigste Variante entschieden und damit auch ein bisschen Demokratie verkauft.

Da bleibt nur die Frage offen: warum merkt die hochkarätige Jury sowas nicht?

Naja, wahrscheinlich ist es da wie bei vielen anderen Auszeichnungen auch: eine Art Inzestverein schubst sich gegenseitig Preise zu um sich so selbst zu feiern.

Die Bezirksregierung Düsseldorf bzw. Regierungspräsident Jürgen Büssow hat wie berichtet zwei Domains ausländischer Firmen beschlagnahmt. Nun hat ein Informant mir weitere Details sowie die entsprechende Anordnung (PDF, ca. 1 MB) übermittelt.

Daraus wird klar, was vorher nur vermutet werden konnte: die Bezirksregierung Düsseldorf bzw. Jürgen Büssow sieht sich als eine Art weltweite Internetpolizei und will seine Interpretation nordrhein-westfälischer Gesetze weltweit durchsetzen:

[...] die Bezirksregierung Düsseldorf [ist] für das gesamte Land Nordrhein-Westfalen zuständig für die Überwachung und Untersagung von Glücksspielen und der Werbung hierfür im Internet.

[...]

Das Glücksspiel wird auch in Nordrhein-Westfalen beworben und veranstaltet. Überall dort, wo der Spielinteressent über das Internet den Zugang zu Werbung oder zu unmittelbarer Spielteilnahme durch die Einwahl in das Netz erhält, wird der ordnungs- und strafrechtlich relevante Rechtsverstoß begangen.

Das bedeutet also konkret: Jedes Internet-Angebot der Welt muss sich an die Gesetzeslage in der deutschen Provinz halten, wenn es nicht Gefahr laufen will, geschlossen zu werden. Aber nicht nur das: Gleichzeitig muss sich jedes Internet-Angebot der Welt und jede Webseite an alle lokalen Gesetze in der ganzen Welt halten. Muss jetzt der Inhaber der Domain schweinebesamung.com eine feindliche Übernahme der Domain fürchten, sollte sein Registrar PSI-USA von einem Finanzinvestor aus Dubai oder Saudi Arabien übernommen werden? Schließlich wird bei der Schweinebesamung unverholen für Schweinefleisch Werbung gemacht. Oder muss ich um a-blast.org fürchten, weil Dragan sich über die Schweinereien der CMA lustig macht? Naja, vielleichts ist es ja auch Rind ... Oder müssen alle ausländischen Webseiten, die über einen deutschen Registrar registriert wurden, ein korrektes Impressum nach deutschem Recht aufweisen – sonst werden sie von Büssow eingezogen? Das passende Meldeformular hat er zwar nicht mehr, vielleicht wurde der Erfolg einfach nur zu groß:

Seit Inkrafttreten des Mediendienste-Staatsvertrages ist die Anzahl der Meldungen über das Meldeformular der Bezirksregierung Düsseldorf von 44 (im Jahre 2002) auf 135 (in 2003) und nun im Jahr 2004 auf über 460 Beschwerden angestiegen, ein weiterer serviceorientierter Schritt auf dem Weg zu einem transparenten Internet.

Aber nebenan bei der Landesmedienanstalt NRW findet sich ein passendes Melde-Formular.

 

Rechtsgrundlage?

Als Rechtsgrundlage nennt die Anordnung §24 Ziffer 13 Ordnungsbehördengesetz NRW in Verbindung mit § 43 Ziffer 1 und § 44 Absatz 1 Polizeigesetz NRW. Der Registrar sitzt aber in Regensburg. Mir wäre nicht bekannt, dass Regensburg nun zu Nordrhein-Werstfalen gehört.

§ 43 des Polizeigesetzes erlaubt es, eine Sache sicherzustellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Geht von einem Diskussionsforum, das von einer Firma in Spanien betrieben wird und ein paar Werbebanner für ominöse Sportwetten enthält, tatsächlich eine gegenwärtige Gefahr aus?

 

Denn das, was dem Betreiber der Webseite tippen4you.com zur Last gelegt wird sieht eher schwach aus:

Der Domaininhaber [...] wurde von mir darauf hingewiesen, dass er auf dieser Internetseite Werbung für unerlaubtes Glücksspiel, u. a. für Glücksspiele der Firmen bet365, mybet, bwin betreibt. Gleichwohl wird die Seite mit dem zu beanstandeten Inhalt weiter betrieben.

Da stellt man sich natürlich zuerst die Frage: warum geht Büssow nicht gegen diese Firmen vor? Alle haben eine .de-Domain:

  • bwin.de läuft unter der de-Domain, hat ein formal korrektes Impressum mit Anschrift in Deutschland und behauptet, eine Wettlizenz in Deutschland zu besitzen – was aber laut Wikipedia rechtlich umstritten ist. Die Behauptung der Bezirksregierung, die Webseite biete unerlaubtes Glücksspiel, ist damit allerdings ziemlich weit hergeholt. Und selbst wenn: der Anbieter ist greifbar.
  • mybet.de hat als Domaininhaber einen RA Franz Brackel in Berlin, leitet aber gleich auf eine .com-Domain weiter. Die Firma hat ihren Sitz in Malta.
  • bet365.de ist auf einen Ryszard Buks in Polen registriert, auch der Admin-C hat eine polnische Adresse – hier könnte man über die Denic sicherlich eingreifen, wenn man denn will. Denn schließlich ist ein Ansprechpartner in Deutschland nötig, aber nicht angegeben. Die Webseite leitet auch gleich auf eine .com-Domain weiter.

Insbesondere bei bet365 sieht es mir schon danach aus, als ob das Angebot nach dem geltenden deutschem Recht nicht zulässig sein könnte, aber dann ließe sich ja zumindest gegen die .de-Domain rechtlich vorgehen. Dass dies nicht gemacht wurde zeigt mir, dass offensichtlich versucht wird, die kleinen Fische anzugreifen, um so schneller zum Erfolg zu kommen.

 

Eins zeigt sich auf jeden Fall: Deutschland ist international nicht für größere Aufgaben bereit, zumindest nicht im Internet, beispielsweise bei Domains und DNS-Servern. Ein Root-Nameserver in NRW wäre einfach ein zu großes Risiko für die Infrastruktur des Netzes. Und da Büssow sich nun auch deutschlandweit zuständig fühlt, kann man nur davon abraten, dass aus Deutschland ein Root-Nameserver oder gar eine internationale Registry betrieben wird. Wenn dieses Vorgehen nicht gestoppt wird und Kleinstaaterei durch internationales Recht ersetzt wird, braucht sich die Denic nicht wieder um eine gTLD wie .net bewerben. Es kann nicht im Interesse von Icann sein, dass Provinzfürsten Rechtsunsicherheit für ausländische Firmen schaffen, auch wenn die angebotenen Inhalte noch so zweifelhaft sein sollten.

 

Der Betreiber und die Domain

Laut Archiv des Impressums wurde tippen4you.com bis November 2007 von einer Birgit Rabenbauer in Erftstadt betrieben, und ab Dezember nach Spanien an die Firma Group Di Amigo transferiert. Dies deckt sich mit der Aussage des jetzigen Betreibers, der die Domain 2007 gekauft haben will. Unter der im Impressum angegebenen Adresse residiert auch das „Radio Mi Amigo – Costa Blanca Urlaubsradio – FM 106,0“.

Nach Aussage des jetzigen Betreibers gab es von der Bezirksregierung Düsseldorf nur eine Einladung zu einer Anhörung, aber „keinerlei Aufforderungen, Androhungen oder sonstiges“.

Nach der Übernahme durch die Bezirksregierung Düsseldorf ist der Betreiber nach eigener Aussage über die Verwaltungsgerichte gegen die Bezirksregierung vorgegangen, aber auch im Eilverfahren gab es noch kein Ergebnis. Seit Juli ist die Domain weg, aber das Forum wird nun unter tippen4you.at weiterbetrieben.

Bei Bet3000 hingegen ging es wie bereits gemeldet schneller: hier übernahm die Bezirksregierung die Domain erst im Dezember, aber schon nach wenigen Tagen wurde sie auf den ursprünglichen Inhaber zurücktransferiert – nach meinen Informationen aber nur temporär bis zur Klärung der Rechtslage und ohne die Möglichkeit die Domain zu einem anderen Registrar zu ziehen.

 

Die Anordnung im Volltext

 

Seit einigen Tagen geistert es im Netz herum: unser alter Bekannter Büssow hat wieder zugeschlagen. Diesmal will er Glücksspielseiten aus dem Internet tilgen. Aber nicht mit Sperrverfügungen, sondern indem er einfach die Domains ausländischer Firmen übernimmt. Offensichtlich wurden dazu in Deutschland sitzende Domain-Registrare per Verfügung angeordnet, die Domain auf Jürgen Büssow bzw. die Bezirksregierung Düsseldorf zu übertragen.

Technisch gesehen gar nicht so dumm, denn dann ist der Krempel gleich weg. Zumindest unter der Domain. Ob das mit internationalem Recht und ICANN-Verträgen vereinbar ist, das ist eine andere Frage. Und da die illegalität der Buden bzw. das Verbot privater Glücksspielanbieter noch nicht mal in Deutschland höchstrichterlich klar ist – einiges spricht dagegen – ist auch ein hartes Vorgehen der Bezirksregierung hier sehr verwunderlich.

Dies scheinen nun aber auch die Registrare und/oder die Bezirksregerung erkannt zu haben, denn anders als heise online berichtet hat die Bezirksregierung eine der Domains wieder freigegeben (das aber sicherlich nicht freiwillig).

 

Von Büssow zeitweise übernommen wurden die folgenden Domains – aber es zeigt sich auch, dass die Anbieter ruck-zuck auf neue Domains ausweichen:

bet3000.com aber weiter erreichbar unter bet3000.gi
tippen4you.com nun erreichbar unter tippen4you.at

 

Alexa Traffic Rank: bet3000.com, tippen4you.com, tippen4you.atWährend ersteres ein Sportwettenanbieter aus Gibraltar zu sein scheint ist, sieht zweiteres wie ein Forum aus. Ich kenne mich zwar in der Szene der Sportwetten nicht aus, beides sieht mir aber nicht nach den ganz großen Fischen aus. Bei Google Trends sind sie gar nicht erst verzeichnet, und auch bei Alexa krapseln sie am unteren Rand herum. Es sind also eher unbedeutende Webseiten.

Es dürfte sich also mal wieder um eines der berühmten Experimente aus Büssows Behörde drehen, wieder nach dem Motto: „Wenn ich das Milchtrinken verbieten will, muss ich erst mal ein oder zwei Flaschen beschlagnahmen.“ Und dafür nimmt man am besten irgendwelche kleinen Fische …

 

Auf jeden Fall scheint die Beschlagnahme erstmal nicht weiter zu gehen. Bis vor kurzem gehörten die Domains noch Büssow bzw. der Bezirksregierung Düsseldorf:

Domain Name:bet3000.com
Created On:2003-06-02 15:18:55
Last Updated On:2008-12-02 10:32:26
Expiration Date:2010-12-01 04:59:59
Status:registrarHold

Registrant-ID:BD512-EPNIC
Registrant-Name:Juergen Buessow
Registrant-Organisation:Bezirksregierung Duesseldorf
Registrant-Street:Cecilienallee 2
Registrant-City:Duesseldorf
Registrant-Postal-Code:40474
Registrant-Country:DE
Registrant-Phone:+49.2114750
Registrant-Email:poststelle@brd.nrw.de

 

Nun gehört bet3000.com wieder den ursprünglichen Inhabern, allerdings ist jeglicher Transfer unterbunden, vermutlich läuft da also noch ein Gerichtsverfahren (die Beteiligten hüllen sich bisher in Schweigen):

Domain Name:bet3000.com
Created On:2003-06-02 15:18:55
Last Updated On:2008-12-08 12:45:21
Expiration Date:2010-12-01 04:59:59
Status:clientTransferProhibited,registrarTransferProhibited

Registrant-ID:IBAL1-EPNIC
Registrant-Name:International Betting Association Limited
Registrant-Street:4 College Lane
Registrant-City:Gibraltar
Registrant-Postal-Code:4 College
Registrant-Country:GI
Registrant-Phone:+350.20052577
Registrant-FAX:+350.20052782
Registrant-Email:info@iba.gi

 

Update: Durch einen Fehler meinerseits hatte ich geschrieben, tippen4you.com wäre wieder frei; das ist falsch, die Bezirksregierung Düsseldorf bzw. Jürgen Büssow ist noch als Inhaber eingetragen!

Update: Laut heise online ist die Bezirksregierung im Fall von tippen4you.com gegen Verisign Deutschand vorgegangen. Die haben aber ihren Sitz in Berlin, und das liegt eindeutig nicht in Nordrhein-Westfalen, und damit nicht in Büssows Zuständigkeitsbereich. Da scheint mir das Vorgehen nicht ganz sauber zu sein. Und es stellt sich auch die Frage, warum Verisign hier die Anordnung einer nicht zuständigen Behörde ausführt. Oder hat die Bezirksregierung Düsseldorf nun die bundesweite Zuständigkeit für Online-Wetten?

Laut Whois ist der Registrar von tippen4you.com allerdings die Cronon AG Berlin, Niederlassung Regensburg. Liegt beides aber auch nicht in NRW:

$ whois  tippen4you.com

Whois Server Version 2.0

Domain names in the .com and .net domains can now be registered
with many different competing registrars. Go to http://www.internic.net
for detailed information.

   Domain Name: TIPPEN4YOU.COM
   Registrar: CRONON AG BERLIN, NIEDERLASSUNG REGENSBURG
   Whois Server: whois.tmagnic.net
   Referral URL: http://nsi-robo.tmag.de
   Name Server: No nameserver
   Status: ok
   Updated Date: 12-oct-2008
   Creation Date: 11-oct-2001
   Expiration Date: 11-oct-2009

>>> Last update of whois database: Wed, 10 Dec 2008 23:48:09 UTC <<<

[...]

The Registry database contains ONLY .COM, .NET, .EDU domains and
Registrars.
Whois Server Version 2.1 at whois.tmagnic.net

Database contains ONLY .COM, .NET, .TV, .CC domains.

Owner Contact:
   Jürgen Büssow
   Bezirksregierung Düsseldorf
   Cecilienallee 2
   Düsseldorf, 40474, DE

   Punycode Name:  tippen4you.com
   Unicode Name:   tippen4you.com

   Admin Contact
      Jürgen Büssow
      Bezirksregierung Düsseldorf
      manfred.huembs@brd.nrw.de
      Cecilienallee 2
      Düsseldorf, 40474, DE
      phone: +49.2114752017

   Technical Contact
      Jürgen Büssow
      Bezirksregierung Düsseldorf
      manfred.huembs@brd.nrw.de
      Cecilienallee 2
      Düsseldorf, 40474, DE
      phone: +49.2114752017

   Zone Contact
      Jürgen Büssow
      Bezirksregierung Düsseldorf
      manfred.huembs@brd.nrw.de
      Cecilienallee 2
      Düsseldorf, 40474, DE
      phone: +49.2114752017

   Record expires on: 2009-10-11 00:00:00

   Domain servers in listed order:

 

 

 

Nach meinem Offenen Brief an Bundefamilienministerium Ursula von der Leyen habe ich vor ein paar Tagen eine Antwort erhalten. Absender: „Info“. Empänger ist ein „Herr Franke“, aber mit meiner E-Mail-Adresse. Naja, da hat wohl jemand nicht so genau hingeschaut …

Die Antwort enthält eine Anlage: Das Interview mit Ursula von der Leyen im Hamburger Abendblatt. Als PDF. Aber nicht die Seite aus der Zeitung, nein: der leicht schräg eingescannte Ausdruck des Interviews von der Webseite des Bundesfamilienministeriums. So viel zur Medienkompetenz, da fehlen mir echt die Worte …

Wer es nicht glaubt, hier ist das PDF: InterviewHamAbendblatt1.pdf

 

Auch die Antwort bestand größtenteils aus Blabla:

Sehr geehrter Herr Franke(sic!),

Frau Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen dankt Ihnen für Ihr Schreiben vom 20. November und dafür, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Ihre Gedanken darzulegen. Ihre Anregungen wurden im Ministerbüro mit Interesse zur Kenntnis genommen.

Die Vielzahl der eingehenden Zuschriften zeigt, dass die Politik des BMFSFJ das breite Interesse der Bevölkerung geweckt hat. Die zustimmenden und auch kritischen Meinungsäußerungen fließen in die Überlegungen der Ministerin zu anstehenden politischen Veränderungen ein und werden ausdrücklich begrüßt.

Angesichts der großen Menge an Eingaben, die das BMFSFJ erreichen, ist es nicht möglich, ausführlich zu den verschiedenen Äußerungen Stellung zu nehmen. Bitte haben Sie hierfür Verständnis.

Die Bundesregierung wird gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet ergreifen.
Die Zugangsanbieter sollen gesetzlich verpflichtet werden, Websites mit kinderpornografischen Inhalten für die Internetnutzer zu sperren.

Sperrungen sind Bestandteil einer Gesamtstrategie gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und seiner Darstellung im Internet. Sie sollen Täterermittlung und Schließung von kinderpornografischen Websites nicht ersetzen, sondern ergänzen.
Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Landeskriminalämter (LKA) leisten im Inland hervorragende Arbeit. Die häufigen Meldungen in der Presse über ausgehobene Kinderpornografie-Ringe belegen das. Die Ermittler werden auch weiterhin hart daran arbeiten, die Täter im Inland zu ermitteln und die Quellen im Ausland zu schließen. Da aber in der Hälfte aller Länder Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie entweder nicht unter Strafe steht oder nicht ausreichend sanktioniert wird, reichen in vielen Fällen polizeiliche Mittel nicht aus. Dann bleibt nur die Sperrung als letztes Mittel.

Gerade weil die Täter so schwer zu erreichen sind, müssen auch die Zugangsanbieter im Inland in die Pflicht genommen werden, über die die große Masse des kinderpornografischen Materials zu den Nutzern gelangt. Damit werden auch die ausländischen Urheber wirtschaftlich getroffen, denn mit
deutschen Kunden werden Millionensummen verdient. Wenn kein Geld mehr fließt, sinkt auch die Gefahr für die Kinder in anderen Ländern, von skrupellosen Geschäftemachern missbraucht zu werden.

Technisch versierte Internetnutzer werden immer Wege finden, die Sperren zu umgehen. Entscheidend ist aber, dass dadurch der Zugang für die große Masse der durchschnittlich versierten Internetnutzer blockiert wird und die harten Fälle auf Nebenwege gezwungen werden. Das trifft die Anbieter wirtschaftlich.
Dass das System funktioniert, zeigen die jahrelangen Erfahrungen anderer Länder, die bereits Zugangssperren eingerichtet haben. Statt vor den Möglichkeiten im World-Wide-Web zu resignieren, werden alle Mittel gegen die Verbreitung von Kinderpornografie genutzt.

Wenn Zugangsprovider das wollen, können sie heute punktgenau gefährliche Inhalte blockieren. Das zeigen die Beispiele aus dem Ausland. Die in Großbritannien eingeführte Technik vermag sogar einzelne Bilder zu sperren. Das Problem des unabsichtlichen Blockierens anderer Seiten ("Overblocking") ist damit technisch längst lösbar.

Access-Sperrungen sind besonders wirksam, weil sie beim inländischen Provider den Zugriff auf bekannte Websites mit Kinderpornografie blockieren - ganz gleich, von wo aus die Inhalte angeboten werden. Sie sind wichtiger Bestandteil einer Gesamtstrategie gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und seiner Darstellung im Internet. Die Sperrungen sollen die Täterermittlung und Schließung von kinderpornografischen Websites nicht ersetzen, sondern ergänzen.

Weitere Einzelheiten entnehmen Sie bitte dem beigefügten Interview von Frau Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen.

Ich hoffe, Sie werden die politische Entwicklung weiterhin aufmerksam und kritisch verfolgen und darf Ihnen für Ihren Beitrag nochmals danken.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag


Anke Dmytrowski
__________________________

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Service-Team

Telefon: 01801 90 70 50
Telefax: 01888 555 4400
Internet: http://www.bmfsfj.de
E-Mail: info@bmfsfjservice.bund.de

 

Spätestens nach der britischen Wikipedia-Sperre wissen wir ja, was auf solchen Sperrlisten Sperrlisten steht: „potentielle“ Kinderpornographie. Alles was vielleicht so aussieht. Vielleicht. So steht es in einer Pressemeldung der Internet Watch Foundation, von der die britische Filterliste erstellt wird. Da springt einem unweigerlich die Frage ins Gesicht: und wer kontrolliert die Kontrolleure?

Das, gepaart mit der geballten Medienkompetenz aus dem Familienministerium und den Sperrwünschen aus Hessen zeigt: Es geht nicht um Kinderpornographie. Es geht um alles mögliche, aber nicht um Kinderpornographie.

 

Aktuelle Kommentare

  • Timo: Hier ein interessanter Artikel über die SCHUFA und was sie weiter lesen
  • Pa: If your government (or company or school) blocks youtube site, weiter lesen
  • Egal: Noch ein Leak: Der Alvar hat auch ein Gutachten zur weiter lesen
  • Alvar: Zur Info: Nebenan habe ich unter http://blog.alvar-freude.de/2014/01/gutachten-vorratsdatenspeicherung.html ein technisches Gutachten weiter lesen
  • Robert L.: Ich finde das mit den rechtlichen Rahmenbedingungen gar nicht so weiter lesen
  • Anonym: ...genauer gesagt, war die auskunft der bahncard-kreditkarten-hotline, dass der verfügungsrahmen weiter lesen
  • tatata: die information stammt aus zwei telefonaten mit der commerzbank. ich weiter lesen
  • Alvar Freude: Hast Du nähere Infos darüber, dass die Bahn die Entscheidungen weiter lesen
  • tatata: das problem ist nicht die commerzbank. es ist die bahn. weiter lesen
  • Medyum: daß User auf Selbstzensur setzen, die wie Sie sicher wissen weiter lesen

Über dieses Archiv

Diese Seite enthält alle Einträge von ODEM.blog von neu nach alt.

November 2008 ist das vorherige Archiv.

Januar 2009 ist das nächste Archiv.

Aktuelle Einträge finden Sie auf der Startseite, alle Einträge in den Archiven.