Klage gegen den Web-Blaster zurückgezogen

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Im Laufe der gestrigen Verhandlung der Klage vor dem Landgericht Hamburg hat die Klägerin die Klage gegen mich wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung durch den Web-Blaster zurückgezogen. Zuvor hat das Gericht deutlich gemacht, dass es eine Urheberrechtsverletzung nicht sieht – diese aber für den Fall, dass auf dem Server des Web-Blasters Kopien der geblasteten Seiten liegen, möglich sein könnte. Um diese Behauptung der Klägerin zu überprüfen, hätte das Gericht ein Gutachten in Auftrag gegeben, was für sie mit zusätzlichem Kostenrisiko verbunden wäre.

(Links zu Hintergrundinformationen und wie alles zustande kam finden sich unten) 

Amtsgericht-Hamburg-Schnee.jpgDie Verhandlung fand bei der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg statt. Der Vorsitzende Richter Bolko Rachow führte sie meiner Ansicht nach souverän, kompetent und fair. So sagte er in Bezug auf ein älteres Urteil, dass sowohl seine Kammer als auch später der Bundesgerichtshof falsch gelegen hätten – man damals aber weniger Wissen hatte. Wenn jemand alte Fehler erkennt und zugibt, finde ich das sehr angenehm.

Die Klägerin Martina Nolte sieht im Web-Blaster und Assoziations-Blaster eine Urheberrechtsverletzung, da man damit auch eine Reportage von ihr über Uhus auf dem Friedhof Ohlsdorf darstellen kann. Der Web-Blaster ist ein Projekt, bei dem man beliebige Webseiten mit Links in den Assoziations-Blaster versehen kann – beides Projekte von Dragan Espenschied und mir, die schon seit Januar 1999 bzw. etwa Sommer 2000 (Web-Blaster) online sind.

Während seiner Zusammenfassung leitete der Vorsitzende her, dass die Klägerin durchaus klageberechtigt ist (was wir bestritten haben), eine Nutzung eines Urheberrechtlichen Werkes vorliege, die Kammer unter dem Strich aber keine Urheberrechtsverletzung sieht, sofern auf dem Web-Blaster-Server keine Kopien der Seiten liegen. Und da muss die Klägerin diese Vervielfältigung nachweisen. Ich konnte dem Gericht glaubhaft machen, dass alle Daten in Echtzeit durchgereicht werden, was man beispielsweise auch daran sieht, dass Änderungen in der Wikipedia sofort nachvollzogen werden können. Siehe auch die schematische Darstellung der Funktionalität des Web-Blasters.

Eine lokale Kopie hätte nur durch einen gerichtlich bestellten Gutachter, der Code und Server begutachtet, bewiesen werden können. Dies hätte aber zu weiteren Kosten von geschätzten 2500 bis 3000 Euro geführt, die von der Klägerin vorzustrecken sind. Einen Vergleich habe ich abgelehnt, da mir eine Entscheidung und Rechtssicherheit wichtig waren.

Nach langem Überlegen und auf indirektes Zureden des Gerichts hat sich dann die Klägerin entschieden, die Klage zurückzuziehen. Für mich in sofern schade, dass es nun kein Urteil gibt – aber für sie eine gute Entscheidung, denn ein Gutachter wäre sicher auch zu dem Schluss gekommen, dass keine Kopien auf dem Server gespeichert werden.

Speicherung von Kopien weil in Suchmaschinen gefunden?

Nach der Verhandlung habe ich noch kurz mit Nolte diskutiert, sie war weiterhin davon überzeugt, dass auf dem Server Kopien liegen müssen, da man einzelne Inhalte auch mit exotischen Suchmaschinen finden kann. Und dazu müssten die Inhalte ja bei mir gespeichert sein – ich habe dann versucht deutlich zu machen, dass ein Crawler einer Suchmaschine den gleichen Inhalt erhält wie ein Browser eines Benutzers und damit auch in diesem Fall die Daten durchgereicht werden.

Verunglimpfung?

Der Kläger-Anwalt Gordon Neumann machte in der Verhandlung noch geltend, dass durch den Web-Blaster seine Mandantin als „Mardina Nolde“ verunglimpft werde, da auch andere, inhaltsverändernde Proxies über den Web-Blaster aufrufbar sind – wie eben alles, was eine korrekte HTTP-URL hat. Denn in einem Blog-Beitrag bzw. einer Mail an sie haben Dragan und ich darauf hingewiesen, dass es viele Dienste im Web gibt, die ähnliches machen – beispielsweise beim Parallelnetz gibt es eine ganze Reihe solcher Dienste.

Das Gericht merkte hierzu an, dass wenn überhaupt nur eine Störerhaftung in Frage kommen könnte (dann aber auch keine Lizenzgebühren anfallen), und – sofern ich das richtig in Erinnerung habe – dies auch nur für den Fall, dass der Web-Blaster eine lokale Kopie speichert. Ich hatte den Eindruck, dass zumindest den Beisitzern Google Translate als technisch vergleichbarer Dienst aus eigener Praxis bekannt war – und es ihnen bewusst war, dass man auch beliebig viele solcher Dienste verschachteln kann …

Fazit

Das ganze ist nun erstmal erledigt, und ich bin froh, dass es nicht noch mehr Zeit frisst. Zwar gibt es leider kein Urteil, das Gericht hat aber doch sehr deutlich gemacht wie es entscheiden würde, wenn auf dem Web-Blaster-Server keine unrechtmäßige Kopie der Inhalte gespeichert ist. Und ich habe keine Bedenken, dass dies im Zweifelsfall durch ein Gutachten belegt würde.

Danke!

Mein großer Dank gilt meinen Anwälten für die kompetente und engagierte rechtliche Vertretung: Thomas Stadler (Twitter, Blog) für die Schriftsätze und insgesamt die rechtliche Betreuung sowie Michael H. Heng (Twitter, Blog) für die Vertretung vor Ort. 

 

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5 Kommentare

Blöde Frage:

Was ist mit Deinen Nerven, Deiner Arbeitszeit und den Kosten für Deine Anwälte?

Eigentlich sollte man jetzt den Spieß umdrehen und die Frau Nolte verklagen damit es sich die nette Dame zukünftig erstmal überlegt bevor sie eine Anzeige macht....zumindest einen Unterlassungserklärung sollte da schon drin sein, wenn nicht gar zivilrechtliche Ansprüche....

bombjack

Glückwunsch! Der Frage meines Vorredners schließe ich mich allerdings an.

Ganz vergessen Bombjack und daMax zu antworten:
Da die Klägerin die Klage zurückgezogen hat, muss sie meines Wissens wie auch bei einem verlorenen Verfahren alle Kosten tragen. Also Anwalts- und Gerichtskosten, sowie meine Fahrtkosten etc.
Zwar war ich bei meinen Kosten so sparsam wie möglich, aber dennoch kommt da ein bisschen was zusammen (Stuttgart–Hamburg und zurück sowie Berlin–Hamburg und Hamburg–Stuttgart sowie zweimal Übernachtung).

Soweit ich weiß kann ich meine Arbeitszeit nicht geltend machen, dafür ist ja rein formal der Anwalt da.

Die Kostenberechnung bei einem Streitwert von 890 € ist auf prozesskostenrechner.de öffentlich zugänglich:

Anwaltsgebühren (beide Anwälte) 325,00 €
Auslagenpauschalen 40,00 €
MWSt 19% 69,35 €
Gerichtsgebühren* 45,00 €
---------------
Gesamtkosten 479,35 €

* aufgrund der Klagerücknahme entfallen zwei Gebühren à 45 €

Fahrt- und Übernachtungskosten können nur geltend gemacht werden, wenn die Anwesenheit von Klägerin und Beklagtem richterlich angeordnet wurde.

MfG

Das schlimme an den Machern der Wikipedia ist nicht nur ihre dumme Dreistigkeit. Sie scheinen vor nichts zurückzuschrecken: Ralf Rolotschek, einer der Abmahner aus der deutschen Wikipedia, schrieb:

"Schmarotzer wie der Betreiber vom Assoziationsblaster, die einfach fremde Inhalte klauen, haben nichts weiter als Abmahnungen und Rechnungen verdient, am besten jeden Tag hunderte, daß ihm der Diebstahl irgendwann mal vergeht." (Ralf Roletschek, 13:35, 5. Jun. 2011)

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