Wie man sich den JMStV schönreden kann …

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Die Redaktion von vorwaerts.de hat gestern zwei Artikel über den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag veröffentlicht: ein Interview mit Martin Stadelmaier, Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei und federführend beim Entwurf des JMStV beteiligt, und Stellungnahmen der SPD-Landtagsfraktionen zum Staatsvertrag.

Kurzzusammenfassung: Stadelmaier will die Probleme nicht erkennen bzw. redet sich mit der Freiwilligkeit der Eltern raus. Dies wurde aber sowieso nie kritisiert. Wie tief sich die Landtagsfraktionen mit dem Thema beschäftigt haben ist unterschiedlich, teilweise werden auch nur die Argumente Stadelmaiers nachgeplappert. 

Aber der Reihe nach:

Stadelmaier verteidigt seinen JMStV

Interessant dabei ist die folgende Aussage Stadelmaiers:

Der Entwurf des Staatsvertrags ist von den SPD-geführten Ländern maßgeblich mitentwickelt worden, er ist somit ein Kind der SPD. Wir konnten die CDU-Länder damit komplett überzeugen.

Es ist also kein Kompromiss mit den Unions-Ländern, sondern Stadelmaier hat, nach meinen Informationen zusammen mit Hans Ernst Hanten vom Bundesminister für Kultur und Medien, seine Vorstellungen vom Internet ein Stück weit durchgesetzt. Das werden einige andere Leute in der SPD, die eine ganz andere Vorstellung von moderner Netzpolitik haben und den JMStV für eine Katastrophe halten, sicherlich nicht gerne lesen. Und die Unionspolitiker in den Ländern sollten sich fragen, ob sie da wirklich mitmachen wollen. Denn der aktuelle Stand ist: die Ministerpräsidenten haben den Staatsvertrag unterzeichnet, aber damit er am 1. Januar 2011 in Kraft treten kann, müssen alle 16 Landesparlamente ihm vorher zustimmen.

Die Idee hinter der Novelle des JMStV ist laut Stadelmaier, dass Eltern das Internet ihrer Kinder filtern sollen.

Das geschieht auf der Basis eines nutzerautonomen Systems, das heißt, dass einerseits die Freiheit des Internets garantiert bleibt, andererseits die Entscheidungen von Eltern für Programme zum Schutz von Kindern und Jugendlichen ermöglicht.

Das kann man im besten Fall als Euphemismus bezeichnen. Ja, die Nutzer haben die Freiheit, ob sie ein Filterprogramm installieren oder nicht (alles andere wäre auch verfassungsrechtlich nicht denkbar). 

Aber weil die bisherigen nicht funktionieren, will der JMStV eben erzwingen, dass sie funktionieren. Und genau das sagt Stadelmaier eben nicht dazu: jeder Betreiber eines Online-Angebots (egal ob Blog, Webseite, Twitter-Stream oder was auch immer) muss seine Inhalte fachgerecht wie einen Kino-Film in eine Altersstufe einstufen: ab 0, 6, 12, 16 oder 18 Jahren. Das dies nicht wirklich funktioniert, haben wir beim AK Zensur gezeigt: In einem Bewertungs-Experiment hat die Mehrheit der Teilnehmer die zu bewertenden Webseiten überwiegend falsch eingestuft.

Stadelmaier in Bezug auf Blogs:

Es ist völlig klar, wer Inhalte ins Netz einstellt, der muss dafür sorgen, dass diese Inhalte kindgerecht sind, wenn man Kinder erreichen will. Aus dieser Verantwortung kann man niemanden lassen.

Das heißt übersetzt: wer Inhalte hat und die nicht als „Kindgerecht“ kennzeichnet, wird von den Filtern ausgesperrt. Und:

Eine zweite Frage war, was kann man dem privaten Blogger zumuten und was ist praktikabel. Deswegen werden wir eine relativ einfache Form der Selbsteinschätzung einführen.

Die „relativ einfache“ Form der Selbsteinschätzung geht über ein (möglicherweise kostenpflichtiges) Programm der FSM, laut Berichten dauert eine einzelne Einstufung damit für einen geübten Anwender rund 10 Minuten.

Falls hier ein Anbieter Missbrauch betreibt, kann das eventuell Strafen nach sich ziehen 

Missbrauch bedeutet dabei: wer etwas fälschlicherweise ab 12 einstuft, es aber ab 16 oder 18 wäre, handelt ordnungswidrig und kann ein Bußgeld erhalten. Oder wer einen Inhalt nach der Einstufung nicht „freiwillig“ zwischen Kennzeichnung, Sendezeitbegrenzung oder Altersverifikation wählt, der Inhalt aber ab 12 ode 16 ist, handelt genauso ordnugswidrig.

Und das gilt auch für alle bereits in der Vergangenheit erschienenen Inhalte. Die Milliarden einzelnen Seiten aller deutschsprachiger Anbieter müssen demnach bis zum 1. Januar 2011 alle eingestuft werden. Wird keiner machen? Genau, aber zu sagen „das Gesetz ist ja nicht so schlimm, weil es wird eh keiner umsetzen“ ist auch ziemlicher Unfug.

 

Zurück zu Stadelmaier. Mit Overblocking hat er keine Probleme:

Ich will nicht nicht ausschließen, dass es sowohl durch die Technik als auch durch die Selbsteinschätzung zu einem gewissen Overblocking kommen kann. Ich halte das nicht für durchschlagend. Für mich steht der Schutz von Kindern im Vordergrund der Überlegungen.

Dabei ist das selbst aus restriktivem Jugendschutzgedanken Quatsch. Denn wenn die Filtersoftware die Wikipedia, die hausaufgaben-Seite des Lehrers, die Seite der französischen Austauschschülerin, deren Schule oder den Bericht einer brasilianischen Umweltschutzgruppe blockiert, werden die Eltern den Filter bald abschalten. Oder die Schüler selbst machen das.

 

Besonders dreist wird Stadelmaier, als es die Geheimniskrämerei der Vetragsverhandlungen zur Sprache kommt:

[…] wir sind sehr früh mit allen Entwürfen und Stellungsnahmen an die Öffentlichkeit gegangen, wir haben bei Veranstaltungen wie dem Politcamp in Berlin oder bei der Anhörung in Mainz den Dialog mit der Netzcommunity gesucht. Der Diskussionsprozess war also kein Geheimnis.

[…] wir haben einen öffentlichen Prozess organisiert […] 

Das ist eine glatte Lüge. 

  • Nicht die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz hat die erste bekannt gewordene Version des JMStV-Entwurf veröffentlicht, sondern ich hier in diesem Blog, nachdem mich der Entwurf über verschlungene Wege erreicht hat.
  • Die Öffentlichkeit war in die gesamte Entwurfs-Phase im Jahr 2009 nicht einbezogen, das wurde von der Rundfunkkommission der Länder hinter verschlossenen Türen verhandelt.
    • Auch bei den Veranstaltungen von Hans Ernst Hanten zu diesem Thema war aus der Netzgemeinschaft niemand einbezogen.
  • Zu der Anhörung in Mainz waren weder AK Zensur noch CCC noch andere Vertreter des Netzes eingeladen. Wir mussten uns selbst einladen!
  • Aber Änderungen waren da sowieso kaum noch möglich, nur ein wenig Detailarbeit. Vielleicht sind wir auch auf das Stöckchen der Sperrverfügungen reingefallen, dass sie uns als Verhandlungsmasse hingeworfen haben, anstatt gleich die anderen Themen stärker zu kritisieren.
  • Journalisten waren weitgehend unerwünscht.
  • Fürs Politcamp wurde ich frühzeitig nachgefragt, ob ich für eine Diskussion mit Stadelmaier bereit stehe. Natürlich! Als dann die Diskussionsteilnehmer feststanden, war ich nicht mehr auf dem Podium dabei – und glaubhafte Gerüchte aus verschiedenen Quellen … Ach, lassen wir das.

Es kann also keine Rede davon sein, dass die Öffentlichkeit in besonderer Weise einbezogen wurde, oder dass man sich auch nur der Kritik stellt. Erst als die Kritik laut wurde, gab es hin und wieder die eine oder andere Version auf der Webseite der Staatskanzlei. Meist hatte ich die bereits Wochen vorher aus anderen Quellen.

Aber auch der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag soll evaluiert werden:

Es wird sicherlich eine wissenschaftliche Auswertung und eine Befragung unter anderem von Eltern und Jugendschutzbehörden geben.

Wenn wie bei der bisherigen Evaluation die Vorgaben sind, dass das herauskommen soll was man hören will, dann dürfte der Tenor der Zusammenfassung der Staatskanzlei schon jetzt feststehen: „JMStV bringt eine Verbesserung mit sich, aber es geht noch besser“. Die bisherigen Evaluationen des JMStV waren nicht ergebnisoffen, neutral und übergreifend, das Untersuchungsfeld war vorgegeben. Auch aus der Wissenschaft gab es an der letzten Evaluation viel Kritik.

 

Besonders einfach macht es sich Stadelmaier, als er auf die Kritik angesprochen wird:

Es gibt Kritiker, die allesamt ein Problem haben, nämlich zu beantworten, wie sie Kinder und Jugendliche vor entwicklungsgefährdenden Angeboten schützen können.

Erstens ist auch das falsch, im Forderungskatalog des AK Zensur zum JMStV ist auch das angesprochen. Zum anderen geht er von der falschen Vorraussetzung des Schützens, Behütens und Verhinderns aus. Wer sich ein bisschen tiefer mit der Thematik beschäftigt wird feststellen: das kann und wird nie funktionieren. Auch die Versuche, die Verbesserung von Filterprogrammen zu erzwingen wird nicht funktionieren. Dies war aber schon seit 1997 bekannt, als die ACLU zum ersten mal ihr Dokument Fahrenheit 451.2: Is Cyberspace Burning? veröffentlicht hat. Das Vorhaben ist ein solcher Unfug, dass ich gar nicht weiß, wo ich für einen kurzen Text anfangen soll. Starre Altersstufen auf internationaler Ebene? Ist in RLP nicht bekannt, dass es in verschiedenen Kulturkreisen andere Vorstellungen davon herrschen, wieviel nackte Haut oder Gewalt einem 12-jährigen zuzumuten sind? Ist in RLP nicht bekannt, dass man eine Schule in Frankreich oder eine regionale Umweltschutzgruppe beim Amazonas nicht nach deutschen Gesetzen behandeln kann? Ist es den Akteuren nicht bewusst oder nehmen sie es in Kauf, dass kleinen Sportvereinen, Jugendhäusern, Schulen und anderen Einrichtungen, deren Webseiten sich explizit an Kinder richten, neue Hürden aufgestellt werden? Hat denn keiner die Studien gelesen, dass die meisten Eltern und Lehrer sich über die nicht funktionierenden Filter beschwert haben und sie wenn möglich wieder abschalten? Achso, die Funktionsfähigkeit soll ja nun per Gesetz erzwungen werden …

 

Das sagen die Landtagsfraktionen

Die Stellungnahmen der SPD-Landtagsfraktionen sind erwartungsgemäß sehr unterschiedlich. So schreibt Heribert Heinrich aus Rheinland-Pfalz

Die Schaffung eines effizienten Jugendmedienschutzes ist eine zentrale politische Aufgabe. Der weit über Deutschland hinaus beachtete Weg der regulierenden Selbstregulierung soll mit der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) fortgesetzt werden.

Ja, weit über Deutschland hinaus beachtet: als Negativbeispiel, wie man es nicht machen sollte. Schon mit dem alten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag hat Deutschland die strengsten Jugendschutz-Regelungen im Internet aller Demokratien weltweit.

Industrie und Provider sollen in Vereinbarungen eingebunden werden, die es zum Bestandteil eines Geschäftsmodells machen, Eltern einen zuverlässigen Schutz ihrer Kinder anzubieten.

Aha, es geht ums Geschäft! Klar, Telekom und FSM erhoffen sich bessere Geschäfte: die Telekom entwickelt einen eigenen Filter und verschafft sich damit Vorteile, die FSM bekommt neue Mitglieder. Es geht also ums Geschäft, nicht um die Kinder.

Gleichzeitig will er Kinder und Jugendliche vor „gewaltverherrlichenden und pornografischen Angeboten“ schützen. Dabei vergisst er zwei Fakten:

  1. Die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags bringt nur marginale Änderungen bei Pornografie und Gewaltdarstellung. In der Kritik stehen ganz andere Bereiche.
  2. Jeder durchschnittliche Hauptschüler kann sich innerhalb kurzer Zeit so viel Pornos besorgen, wie er nie konsumieren kann. Das ist eine Tatsache. Die kann man gerne kritisieren, aber Filter ändern daran rein gar nichts. Daher sind ganz andere Ansatzpunkte gefordert.

 

Rainer Hamann von der SPD-Fraktion aus Bremen sieht das anders als sein Kollege aus RLP und argumentiert sehr fundiert – man merkt, dass er sich mit dem Thema beschäftigt hat. Daher möchte ich ihn hier in weiten Teilen zitieren:

Ich halte den Versuch die Regelungen der „klassischen Medien“ auf das Internet, genauer: die Dienste im Internet übertragen zu wollen für nicht zielführend. Der Versuch unerwünschte, jugendgefährdende Inhalte im Internet verhindern zu wollen wird scheitern. Soziale Problemlagen, wie unbeaufsichtigte Kinder oder schlechter Umgang mit den Medien innerhalb der Familie, lassen sich nicht durch Filtersysteme beheben.

[…]

Wie sollen Filtersysteme technisch funktionieren? Für welche Betriebssysteme wird es die Software geben? Der Einsatz von Linux-Systemen ist ein Risiko falls es keine Filtersoftware gibt. Wird die nächste Windows Version KinderNet-Ready sein?

Ich sehe eine Bevorzugung finanzkräftiger Anbieter, wie zum Beispiel große Verlage, die es sich leisten können, Personal abzustellen um ihre eigenen Inhalte einzustufen. Dagegen werden kleine Anbieter - von der kleinen Regionalzeitung bis zum Blogger - vor ernsthafte Probleme gestellt. Jeder soll am Internet teilhaben können.

Was passiert wenn die Evaluation als Ergebnis die Erfolglosigkeit bringt, weil zum Beispiel zu wenige Jugendschutz-Software nutzen? Als Konsequenz müssten Computer dann zwangsweise mit Filter-Software ausgerüstet werden?

Der AK Netzpolitik bemängelt die technische Unmöglichkeit Echtzeitkommunikation (Twitter, Blogs, Foren usw.) einzustufen. Jede Arbeitsloseninitiative, jeder Betriebsrat, jede Gliederung unserer Partei wird sich mit Selbsteinstufung von Inhalten im Web beschäftigen müssen. Wer sich nicht unterwirft wird gefiltert. Die Freiwilligkeit ist also nicht gegeben, entgegen der Behauptung der JMStV-Verfechter.

Der JMStV weckt Erwartungen mit Fliteersystemen Jugendliche schützen zu können. Eine Art Bachblütentherapie der Netzwelt. Sozialdemokraten sollten neue Kommunikationsformen als Chance und nicht Gefährdung sehen. Der Versuch von KinderNet ist keine Lösung.

Dem habe ich erstmal nichts hinzuzufügen …

 

Andreas Stoch von der SPD-Fraktion in Baden-Württemberg verteidigt hingegen den JMStV und ist (wie auch die offizielle Begründung zum JMStV) unfreiwillig komisch:

Gerade aus Baden-Württemberg gab es aus der Mitte des Sonderausschusses des Landtags zu den Konsequenzen aus den schrecklichen Amokläufen von Winnenden und Wendlingen eine Reihe von Forderungen zum Jugendmedienschutz, die sich in dem jetzt vorliegenden Staatsvertragsentwurf im Kern wieder finden. 

Die JMStV-Novelle mit Winnenden zu begründen ist, als ob man die Verlängerung der Restlaufzeit von Atomkraftwerken mit der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko begründet. Das eine hat mir dem anderen nichts zu tun, der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag regelt auch nichts zu Schusswaffen, „Killerspielen“ oder sonstwas. Man kann es also noch nicht mal mit besonders starkem Willen so hindrehen. Der JMStV sorgt nur dafür, dass jeder Internet-Nutzer seine Inhalte wie ein Kino-Film in Altersstufen einstufen muss.

 

Uwe Grund aus Hamburg nennt einen wichtigen Punkt in der derzeitigen Situation:

Tatsache ist allerdings, dass diese Staatsverträge bislang immer nur durchgewunken wurden, weil es die Möglichkeit der Modifikation nicht gibt. Die Länderparlamente werden immer vor die Alternative Zustimmung oder Scheitern des Vertrages gestellt.

 

Häufig wird genannt, dass es ja alles nicht so schlimm sei, weil in drei Jahren das Gesetz ja wieder evaluiert werden soll (und das bestimmt von einem Institut, das auf die Aufträge aus der Politik angewiesen ist und daher ein Stück weit das schreibt, was der Auftraggeber hören will).

Dieses Argument beachtet aber nicht, dass dann schon drei Jahre lang ein Gesetz gilt, dass nicht nur zu viel Verunsicherung führt, teilweise seit 15 Jahren bestehende Inhalte gefährdet, sondern auch innovative Web 2.0 Dienste derart verteuert, dass es die deutsche Internet-Wirtschaft international weiter nach hinten wirft.

 

Insgesamt besteht weiterhin große Unkenntnis darüber, um was es beim JMStV geht, wer welche Pflichten auferlegt bekommt, was diese bringen und welche Auswirkungen diese haben werden.

 

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11 Kommentare

Danke für die ausführliche Kritik!

Ich hab nur eine kurze Anmerkung: Mal ganz unabhängig zu Deinen anderen Argumenten - das Argument mit der Politcamp-Podiumsdiskussion finde ich sehr schwach.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Martin Stadelmaier dafür sorgen würde, dass Du mit ihm nicht auf einer Podiumsdiskussion sitzen kannst.

Wenn überhaupt musst Du das mit den Organisatoren des Politcamps klären. Jedenfalls habe ich die nicht die Erfahrung gemacht, dass sich Martin Stadelmaier den Diskussionen entzieht.

Den Rest des Artikels habe ich natürlich mit viel Interesse gelesen ;-) Danke dafür! Was mich irgendwie noch geärgert hat, war dass niemand aus der Netzpolitik-Gemeinde die anderen Fraktionen kontaktiert hat. Die SPD geht hier in Vorleistung, zeigt auch auf, was es an Differenzen innerhalb der SPD gibt, stellt sich der Öffentlichkeit. Die Grünen und die FDP machen es sich leicht - sie schweigen lieber dazu.

Ich möchte mal behaupten, dass es bei allen in den Landtagen vertretenen Parteien die gleichen unterschiedlichen Meinungen und Konflikte gibt. Wie in vielen Bereichen der Netzpolitik läuft die Trennung weniger anhand der Parteien, sondern eher anhand der Netz-Affinität.

Von daher muss man Euch bei Vorwärts wirklich dankbar sein, dass Ihr offen alle Positionen darstellt!

Ich denke auch, dass bei solchen Themen vor allem eine breite Diskussion wichtig ist.

Stimmt.

Wie immer, wenn man ganz genau hin schaut, geht es um Geld - nichts als Geld!
Ob hier einzelne Politiker auch etwas davon abbekommen, oder schlicht so unfähig und dumm sind, sich von einer kaum versteckten Industrielobby über den Tisch ziehen zu lassen, vermag ich nicht zu beurteilen.
Geradezu eklatant ist die Häufung solcher Fehlleistungen. Dabei wäre es SO einfach.
Was braucht eine Gemeinde, Stadt, Land?
Infrastruktur (Strassen, Kommunikationsleitungen, Bahn, Stromleitungen, Wasser)
Bildung (Schulen, Kindergärten, etc.)
Renten und Gesundheitssystem
Recht und Verfolgung von Unrecht

das war's viel mehr ist da nicht. Und wenn sich Politiker daran halten würden, dann hätten wir keine Milliardenlöcher, keine Privatisierung von Infrastruktur und kein unsinniges JMSTV

Ich werde meine Websites nicht mit Altersstufen ausstatten und kann nur alle und jeden dazu auffordern, es ebenfalls nicht zu tun.

Ohnehin gehe ich langsam dazu über, alles auf Englisch zu veröffentlichen. Dann richten sich die Angebote nicht an Deutsches Publikum und einiger Zirkus rauscht an mir vorbei. Und natürlich an Deutschsprachigen Webnutzern.

Insgesamt nimmt die Bevorzugung großer Medienhäuser in aktuell ausgedachten Gesetzen ein bedenkliches Maß an. Die Öffentlich-Rechtlichen werden künstlich beschnitten, die Nutzungsrechte an Satzfragmenten werden diskutiert, freiwillige Verfahren angeordnet, die sich nur Konzerne leisten können ... Dafür braucht's kein Internet, da hätten wir gleich bei Compuserve und AOL bleiben können.

Wenn's den Medienhäusern so wichtig ist, ihre "Güter" künstlich knapp zu halten, sollen sie sich eben aus dem Internet zurückziehen und nur noch blöde Apps für irgendwelche reglementierten Knastcomputer herausbringen, die kein Copy/Paste unterstützen. Dann könnten wir uns die ganze Diskussion sparen.

was ich an der stelle immer nicht verstehe:
so weit ich weiss, muss man volljährig sein, um einen vertrag mit einem internet-provider abzuschliessen. mir ist kein fall eines minderjährigen mit eigenem netzzugang bekannt.
wieso zur hölle wird dann versucht, das gesamte internet kindkompatibel zu gestalten? kinder kommen da nur rein, wenn erwachsene es ihnen ermoeglichen. ich kenne auch kein kind, das sich alleine zur primetime auf der reeperbahn rumtreibt.

Vivec, offenbar hast du selbst keine Kinder, denn dann würdest du wissen, dass es in der Praxis unmöglich ist, Kinder ständig zu überwachen, wann immer sie im Netz sind. Besonders dann, wenn die Kinder zu Teenagern werden. Die Idee einem 13-, 15- oder 17-jährigen ständig beim Surfen über die Schulter zu schauen ist dermaßen naiv und lächerlich, dass man auf so etwas nur kommen kann, wenn man selbst von Kindern in diesem Alter keine Ahnung hat. Die Idee, den Teenagern den Netzzugang zu verbieten und nur zu erlauben, wenn man als Erziehungsberechtigter anwesend ist, ist völlig realitätsfern. Und nebenbei höchst bedenklich, denn auch Teenager haben ein Recht darauf, dass nicht ständig ein "Big Brother" jeden Schritt im Netz protokolliert. Nicht nur Erwachsene haben eine Privatsphäre.

Davon unabhängig ist die Tatsache, dass der JMStV am Wesen des Netzes vorbei (manuelle Einstufungen) geht und damit einfach unpraktikabel ist. Programme anderer Anbieter (die anders arbeiten als das des JMStV) funktionieren besser, sind aber auch keine optimale Lösung. Optimale Lösungen gibt es beim Jugendschutz ohnehin selten.

Moin,

Die Idee einem 13-, 15- oder 17-jährigen ständig beim Surfen über die Schulter zu schauen ist dermaßen naiv und lächerlich, dass man auf so etwas nur kommen kann, wenn man selbst von Kindern in diesem Alter keine Ahnung hat.

Was unter anderem der Grund war, weshalb ich darauf verzichtet habe, diese Idee in den Raum zu werfen.

Ich bin selbst erst seit ungefähr 10 Jahren aus dem betreffenden Alter raus, und im Gegensatz zu den meisten anderen Leuten kann ich mich lebhaft daran erinnern. Ich war technisch fit genug, um schon im Alter von ungefähr 11 (wo ich tatsächlich nur unter Aufsicht ins Internet durfte), einen alternativen Proxyserver einzustellen. Die Jugendlichen von heute werden nicht dümmer. Zum Glück haben meine Eltern es geschafft, mir so etwas wie eine funktionierende Erziehung mitzugeben und mich rechtzeitig über Themengebiete, wo das Netz mich hätte "verderben" können, aufzuklären und mir eine Grundlage zu geben, auf der ich die Informationen im Netz einordnen und verarbeiten konnte.

Es ist nicht die Aufgabe der Gesellschaft, dafür geradezustehen, dass Leute ihre Kinder erziehen.
Kinder fangen irgendwann an, sich für Sex zu interessieren. Dann sollte man mit ihnen darüber sprechen und ihnen erzählen, wie sich die Wirklichkeit zu Pornos verhält, und man sollte ihnen erzählen, dass es vielleicht nicht unbedingt gut für albtraumfreien Schlaf ist, sich "two girls one cup" anzugucken etc., dazu muss bei Erwachsenen natürlich Medienkompetenz vorhanden sein.

Jugendschutz über eine Filterregelung verwirklichen zu wollen, ist total utopisch (genau wie dieser blödsinnige Kram mit der Altersfreigabe für Webseiten, der neuerdings diskutiert wird). Irgendwer stellt Minderjährigen seinen Internetanschluss zur Verfügung, und dieser Jemand ist dafür verantwortlich, dass die Minderjährigen mit dem, was sie im Internet sehen, umgehen können, sei es über Erziehung oder sei es über lokale Filterung (über den Router oder über ein lokales Benutzerkonto, da liegt die Aufwandsschwelle zum Umgehen etwas höher). Generell ist Jugendschutz im Netz sogar noch viel leichter zu umgehen als Jugendschutz am Kiosk (ey du! Kauf mal 6 Bier... kannst den Euro behalten...), an der Stelle Jugendliche _schützen_ zu wollen ist total utopisch. Glaubst irgendjemand hier, dass seine Eltern in der Lage wären, einen Internet- oder PC-Filter zu entwickeln, den er nicht in 0,nichts umgehen könnte? Verhält sich mit den heutigen Jugendlichen ungefähr ähnlich, die sind ihren Eltern in Punkto Computer Use dermaßen überlegen, dass das Durchschnittselternteil das Niveau von unten noch nicht mal sehen kann.

Die meisten ernstzunehmenden Pornoangebote sind sowieso hinter Paywalls, wo man ohne Kreditkarte garnicht rankommt, und wer es nicht auf die Reihe bekommt, youporn auf die lokale Blacklist zu schreiben, der bekommt es auch nicht hin, seinen 11jährigen daran zu hindern, sich über nen indonesischen Proxy einzuwählen.

Sicher ist es unmöglich, Jugendliche ständig beim Surfen zu kontrollieren. Genauso unmöglich, wie es vor fünfzehn, zwanzig Jahren war zu kontrollieren, ob sie nicht heimlich Papas Pornos oder die Horrorfilme des großesn Bruders angeschaut haben.

Ich kann mir nämlich beim allerbesten Willen nicht vorstellen, daß diese Filme im größten Teil der Haushalte WEGGESPERRT waren. Wahrscheinlich hat nur ein sehr, sehr kleiner Prozentsatz sie tatsächlich WEGGESPERRT und damit effektiv vor dem Zugriff durch Jugendliche geschützt. Die übrigen haben sie höchstens irgendwo versteckt oder - wie bei Horrorfilmen wahrscheinlicher - einfach irgendwo hingestellt. Mein Bruder hatte eine sehr große Sammlung an VHS-Kassetten. Da waren auch sehr harte Horrorfilme dabei. Die waren frei zugänglich in Schubladen.

Was hat sich also in diesen zwanzig Jahren geändert? Genau eine einzige Sache: Das "Problem" Jugendschutz wurde öffentlich und dadurch erst von Politikern wahrnehmbar.

Damals geschahen die Verstöße hinter verschlossenen Türen in den Wohnungen. Gekauft oder ausgeliehen wurden die Filme von Erwachsenen - und was daheim passierte, daß interessierte nicht.

Dank des Internet nun wissen Politiker, daß Jugendliche sich Pornos und Horrorfilme anschauen - und sind total aus dem Häuschen. Als ob die Welt jetzt unterginge und alle zu geist- und gefühllosen Vergewaltiger-Mörder-Schlägern würden.

Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es eigentlich urkomisch und fast schon eine sehr gute Geschichte für eine Satire, eigentlich bereits eine Farce. So ein bißchen wie in "Des Kaisers neue Kleider". Die Jugendlichen sind schon laaaaaaaaaange nackt, aber die Politiker dachten, sie trügen dicke Klamotten - bis das Internet ihnen plötzlich die Illusion geraubt hat.

Ich persönlich habe diesbezüglich für Deutschland jede Hoffnung aufgegeben und erwarte mir erst eine vernünftigere Einstellung dazu, wenn sich die derzeit herrschende Politiker-Elite auf biologischem Wege empfohlen hat. Bis dahin haben wir es mit störrischen alten Eseln zu tun.

Für mich sieht das so aus, daß man den Köder Zensursula hingeworfen hatte.
Währenddessen wurde der Boden bereitet, um auf breiter Front mit den privatwirtschaftlich orientierten Armeen von Abmahn-Anwälten genau das umzusetzen.
Auch wenn das Gesetz nicht gleich so angewendet werden sollte, die Geschütze sind in Stellung gebracht, um jeden unliebsamen Blog ganz gesetzeskonform abzuschießen, öffentliche Einschüchterung mit inbegriffen.

Die ReGIERung zeigt gerade ihr wahres Gesicht. Bis zum nächsten Wahlkampf sollen wird das alles vergessen haben.
Auch wenn in diesem Beitrag nur die SPD zum Zuge kam, haben die Grünen im Schafspelz den gleichen Anteil daran.

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