Schon vor ein paar Jahren geisterte der Wunsch einer „Sendezeitbegrenzung“ durchs Internet, verschwand dann aber mehr oder minder in der Versenkung. Ähnlich erging es dem Versuch, eine verbindliche Alterskennzeichnung aller Inhalte zu erzwingen.
Nun liegt mir der neue Entwurf für eine Überarbeitung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) vor (PDF, 102 kB). In dem Entwurf werden zum Beispiel die Kontroll-Pflichten für Soziale Netzwerke oder allgemein User Generated Content deutlich ausgeweitet und er legt auch nahe, dass Zugangs-Provider für fremde (ausländische) Inhalte die Verantwortung tragen sollen. Also: Internet-Sperren durch die Hintertür? Zudem soll jeder Inhalt mit einer Alterskennzeichnung versehen werden.
Leider bin ich unterwegs und habe keine Zeit das im Detail zu analysieren, daher möchte ich den Aufruf an „die Community“ richten, den Entwurf genau anzuschauen und zu analysieren. Mir erscheint dies als der nächste Versuch, eine umfassenden Inhaltskontrolle und Internet-Sperren einzuführen.
Soweit ich es beim Überfliegen verstanden habe, soll für jeden Inhalt eine Alterseinstufung vorgenommen werden: ab 6 Jahren, ab 12 Jahren, ab 16 Jahren und 18 Jahren. „Entwicklungsbeeinträchtigende“ Inhalte ab 16 Jahren dürfen dann nur zwischen 22 und 6 Uhr „verbreitet oder zugänglich gemacht“ werden. Nach welcher Zeitzone steht aber nicht dabei … Nur mit einem vorgeschalteten Altersverifikationssystem kann diese Beschränkung umgangen werden.
Auch Soziale Netzwerke, Community-Webseiten und so weiter sollen stärker kontrolliert werden:
Die Kennzeichnung von Angeboten, die den Zugang zu Inhalten vermitteln, die gemäß §§ 7 ff. des Telemediengesetzes nicht vollständig in den Verantwortungsbereich des Anbieters fallen, insbesondere weil diese von Nutzern in das Angebot integriert werden oder das Angebot durch Nutzer verändert wird, setzt voraus, dass der Anbieter nachweist, dass die Einbeziehung oder der Verbleib von Inhalten im Gesamtangebot verhindert wird, die geeignet sind, die Entwicklung von jüngeren Personen zu beeinträchtigen. Der Anbieter hat nachzuweisen, dass er ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen hat.
Das würde aber auch bedeuten: muss nun jeder Blogger der Kommentare zulässt nachweisen, dass Inhalte, „die geeignet sind, die Entwicklung von jüngeren Personen zu beeinträchtigen“, entfernt werden?
Die allgemeine Kennzeichnungspflicht wirft auch viele Fragen auf, zum Beispiel, wie ein Anbieter mal eben mehrere zehntausend alte und täglich neue Seiten korrekt klassifizieren soll.
Und wie sollen das die Zugangs-Provider machen? Das ganze Web klassifizieren und alles andere blockieren?
Mir scheint, dass hier die (möchtegern-) Jugendschützer mal wieder durchdrehen, aber der Arbeitsentwurf braucht auf jeden Fall noch eine genauere Analyse. Kommentare willkommen …
Arbeitsentwurf-JMStV--Stand-2009-12-07.pdf
Kann man deutlicher zur Schau stellen, dass man zu dumm zum Scheißen ist?
'This, Jugendschützer, is the internet.
And the elders of the internet do NOT allow you to fck it up!'
Hierzu mein Lieblingszitat von Dr. Liesching vom Oktober 2008 im Beck-Blog:
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Die Neuregelungen werden auf ein bereits bestehendes gesetzliches Jugendschutzniveau aufgesattelt, das an Dichte, Komplexität und Sanktionsschärfe weltweit von keinem anderen Rechtsstaat erreicht wird.
Das deutsche Strafgesetzbuch enthält mehr Verbreitungsverbote als jedes andere EU-Land; [...]
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bei
http://blog.beck.de/2008/10/14/zu-wenig-jugendmedienschutz-in-deutschland
Sag mal, das ist doch ein Fake, oder?
Wie kommt es, dass du eine Arbeitsfassung vorliegen hast?
Es ist wirklich unglaublich.
Ich habe vor kurzem ausführlich darüber berichtet, warum wir kein Google Analytics benutzen dürfen, keine YouTube-Videos mehr einbinden dürfen, Gravatare illegal sind und sonst auch alles abmahnfähig wird, was mit der IP-Adresse zusammenhängt.
Jetzt kommt hier der nächste geniale Streich.
Das wird sicherlich noch 2 oder 3 Jahrzente weiter gehen.
Dann dürfen wir hoffen, dass Menschen mit Ahnung vom Internet in die Positionen wachsen, die in diesen Tagen mit unbegrenzter Unwissenheit und Ignoranz glänzen.
Nein, das ist kein Fake. Das ist echt.
Grossartig ... Spitze Jugendschutz prima. Bloss wer erklaert Yahoo & Co was das ist und was damit gemeint ist? Ich fuerchte Einsteins Relativitaets Theorie ist diesen Intelligenzbestien einfacher zu erklaeren.
Mal sehen ob sich jemand berufen fühlt das genau so durchzudrücken... Würde mich wundern, ist ja nicht so als ob man bei dem Themenkomplex keinen Aufstand zu fürchten hat.
Unter Merkel wird das wohl keiner machen, dass die Dame dazugelernt hat sieht man seit Regierungsantritt.
Genau das, was Deutschland gebraucht hat. Noch mehr Rechtsunsicherheit. Nicht genug, dass mittlerweile die Anwälte schon nicht mehr wissen, was man genau darf und was evtl. abmahnfähig sein könnte.
Nein, jetzt muss auch noch jedes Forum sicher stellen, dass die Angebote für 11 und 12-jährige getrennt sind und dass Fanseiten von Computerspielen ab 16 erst ab 22 Uhr erreichbar sind. Die haben doch nen Sockenschuss.
Neuerung im TV:
Fernsehsender müssen bei Sendungen ab 16 während der GESAMTEN SENDEZEIT einblenden, dass die Sendung für Kinder und Jugendliche unter der angegebenen Alterstufe nicht geeignet ist.
Diskutieren über das Dritte Reich wird auch verboten:
... Nationalsozialische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt wird.
So wie ich das lese, werden dann Sätze wie "Es war nicht alles schlecht im 3. Reich" oder "Hitler war nicht allein für den Krieg verantwortlich" illegal. Aber das ist auch so eine Gummiformulierung. Interessant ist aber, dass die Handlungen im 3. Reich auf das 3. Reich an sich ausgedehnt haben.
Neu für Internetseiten:
Bemängelt die KJM ein Angebot, muss die Seite sofort entfernt werden. "Anfechtungen oder Widerspruch haben keine aufschiebende Wirkung."
Das wäre dann wohl die Zensur. Die Überprüfung, ob das überhaupt sinnig ist, wird komplett gestrichen.
Alterskennzeichnung wird Pflicht. Falschangabe oder Nichtangabe gilt als Ordnungswidrigkeit.
Ach und für Werbung ist man auch direkt verantwortlich. Wenn also ein Banneranbieter den O2 Banner gegen einen Pornobanner austauscht haftet der, der die Werbung verbreitet. Wieder so eine Gummiformulierung.
Und als letztes braucht dann ab sofort JEDE Seite einen Jugendschutzbeauftragten und dieser muss von jeder Seite aus erreichbar sein (wahrscheinlich im Impressum).
Ich würde mal tippen, dann gehen auch die letzten Internetseiten direkt nach Spanien oder bloggen ab demnächst anonym.
nein, nicht während der gesamten sendezeit. sondern erst ab 20/22/23 uhr (entspricht fsk12/fsk16/fsk18), weil zu den jeweiligen zeiten die jeweils betreffende altersgruppe eigentlich nicht mehr alleine vor dem fernseher sitzen sollte.
bedeutet also: ein fsk16-bewerteter film darf zwar ab 22.00 uhr ausgestrahlt werden, da der gesetzgeber davon ausgeht, dass jugendlich unter 16 um diese uhrzeit bereits im bett liegen, aber für den fall, dass sie dennoch vor der glotze sitzen, ist es ein warnhinweis an die erziehungsberechtigten.
klingt komisch, ist aber so.
Während der gesamten Sendezeit der entwicklungsbeeinträchtigenden Sendung für Kinder/Jugendliche unter 16 Jahren. Hab ich aber auch so geschrieben, ok wenigstens so gemeint.
Reicht ja auch nicht, dass mittlerweile jedes DVD Cover total verk*ckt aussieht.
wobei dvds zumeist den vorteil von wendecovern haben...
Dummerweise funktioniert das nicht bei DVD Boxen und da ich fast nur Serien haben ... :-(
hm. da hilft nur noch eine individuelle jugendschutzvorsperre, eigene PIN für jede DVD, zustellung ausschließlich per einschreiben eigenhändig nach durchlaufen eines von der kjm genehmigten post-ident-verfahrens.
und der straßen-schwarzmarkt wird blühen.
einer bestellt exzessiv und vertickt die porno-/gewalt-dvds an kids, dazu gleich alle arten drogen...
juchu - endlich wieder alles aus einer hand!
und wenn die dvd nur noch auf dem amtlich beglaubigten ab-18-player geschaut werden kann, gibt es eben wieder "nachmittage/abende bei (den großen) freunden".
*kopfschüttel*
Yahoo und alle anderen großen Suchmaschinenbetreiber wissen sehr wohl über den Jugendschutz in Deutschland Bescheid, denn sie sind alle Mitglieder bei der FSM und entfernen im Auftrag der BpjM "jugendgefährdende" Suchergebnisse aus Suchmaschinen für Deutschland.
Mal ne Frage:
Ich würde meinen Content pauschal ab 18 bewerten, da ich keine Lust habe bei meinem Privaprojekt für jeden Artikel und Kommentar einzeln festzustellen ab welchem Alter er tatsächlich ist.
Wenn ich dann den Zugriff auf meine Webseite für alle sperre, die mit einer Deutschen IP surfen, aber für alle ausländischen IPs rund um die Uhr offen lasse, wäre das nach dem vorgeschlagenen Gesetzt ausreichend?
Ich freue mich, falls mir das jemand beantworten kann.
Mal wieder Politiker, die nur minimal ihr Pflichtenheft erfüllen, ohne nach rechts und links zu sehen. Landes~, um genau zu sein, genauso wie schon bei den 'neuartigen Rundfunkempfängern'.
Die ökonomisch naheliegende Lösung wäre, daß einfach alle Provider in ihre AGB schreiben, daß nur noch Personen ab 18 den Internetzugang benutzen dürfen. Schulen gucken dann halt in die Röhre, und de fakto bleibt alles beim alten, weil zu Hause halt die Kinder trotzdem mitsurfen.
Oh, und das Minderjährige-und-Handy-Problem löst sich von selbst. :-)
Andreas
Was soll denn bitte diese Zeitsperre bringen? Es liegt eindeutig an den Eltern. Denn wenn Erotik nur ab 24.00 Uhr erlaubt ist, dann geht halt ein 16 Jähriger später ins Bett und schaut halt ab 24.00 Uhr in die Ü-18 Seiten rein. Und am Wochenende machen se dann eh die Nacht durch. Also eine Zeitsperre bringt nix, außer mehr Arbeitslose, den nwenn eine Seite mehrere Studnen nicht erreichbar ist, dann kann dies bei manchen Webseiten zu Umsatzeinbrüchen von bis bestimmt 10.000 EUR kommen (weniger Werbeeinahmen/Bestellungen).
Irgendwann bekommt man bestimmt einen Ausweis, den man vorher in ein Lesegerät am PC stecken muss (digitaler Personalausweis) bevor überhaupt das Internet funktioniert (ähnlich wie bei den Zigarettenautomaten)....
Danke Deutschland! Darf ich noch über die Straße gehen, oder muss ich das zuerst bei einem bestimmten Amt beantragen???
Gruß
Stefan Bender
Jetzt ist es ja - zum Glück - doch nicht durchgesetzt worden, das Gesetz mit dem unsäglichen Namen.
Ja!: Das Gesetz hätte die Freiheit des Internets zu stark beschränkt!
Ja!: Es wäre für viele Webportale der Tod gewesen, weil diese die Umsetzung nicht hätten leisten können. (Vorausgesetzt Gesetzesübertretungen wären verfolgt worden, was ja bisher - beim alten Gesetz - auch nicht passiert.)
Ja!: Es wäre in sehr vielen Fällen die Frage gewesen, wer denn festlegt, welche Inhalte für welche Altersgruppe geeignet sind.
(Viele Blogs wären allein deswegen schon "ausgestorben", weil sich keiner um diese Frage richtig und angemessen hätte kümmern können. Eine ironische "Antwort" der Blogbetreiber war ja vielfach: Alle Inhalte gelten nur ab 18!)
Aber: Nein, ...
das Gesetz war nicht durch und durch verkehrt.
Es ging ja um den Schutz der Jugend!
Und es wäre meines Erachtens ein guter Schritt gewesen in Richtung der Gesetzesideen auf freiwilliger Basis weiter zu denken.
Warum nicht eine Altersempfehlung - freiwillig und von solchen Portalen, die sich dadurch auszeichnen wollen und den Aufwand nicht scheuen? Und zwar für Menschen, die selbst so eine Empfehlung (analog der Film-FSK) wünschen.
Auch standardisierte Filterverfahren wären meiner Meinung nach sinnvoll.
...ohne dass solche Empfehlungen und Filter den Erwerb von Medienkompetenz ersetzen.
...wissend, dass Jugendliche, die die Sperren und Empfehlungen nicht annehmen wollen, ihre Wege dazu finden werden.
Dennoch wären derartige Altersempfehlungen einzelner Webportale - wie mehrfach gesagt auf freiwilliger Extra-Service-Basis - ein Gewinn für das Internet.