Im (noch) aktuellen SPIEGEL 14/2010 gibt es auf Seite 18 einen Artikel „Minister für Entwarnung“, der erklären könnte, warum einige Unions-Abgeordneten sich weiter lautstark für Internet-Sperren aussprechen.
Der Artikel beschreibt den Wandel im Innenministerium von Wolfgang Schäuble zu Thomas de Maizière:
Kein CDU-Minister hat in der schwarz-gelben Koalition einen so radikalen Kurswechsel vollzogen wie de Maizière. Schäuble war der Prototyp eines konservativen Ressortchefs, stets hatte er ein offenes Ohr für die Nöte des Sicherheitsapparats. Sein Credo war das von Law and Order. […]
De Maizière dagegen wirkt wie ein Minister für Entwarnung.
In der Union ist aber gleichzeitig innerparteilicher Widerstand gegen den Kurswechsel zu spüren, der auch schon in anderen Bereichen stattgefunden hat:
Die Traditionalisten in der Union hielten es von Anfang an für einen Fehler, dass Merkel in der Innenpolitik auch noch die letzte konservative Bastion räumt. Sie hatten in den vergangenen Jahren ja schon erdulden müssen, wie die Parteichefin andere althergebrachte Überzeugungen der Union entsorgte.
Der Weg ging weg von der Hausfrau hin zu einem moderneren Frauenbild, beim Sozialstaat sehe ich die Union häufig näher bei der SPD als bei der FDP, und auch auf die Atomkraft würde die Kanzlerin langfristig verzichten. Der SPIEGEL schreibt treffenderweise weiter:
Nur noch Sheriff Schäuble im Innenministerium erinnerte die Konservativen an die alte CDU.
Aber mit dem neuen Innenminister ist auch das vorbei. Fraktionsintern brechen nun die Fronten auf, und einzelne Abgeordnete versuchen bei dem einen oder anderen Thema eine konservative Linie durchzusetzen.
Und ich denke, hier muss man auch die Äußerungen von Hans-Peter Uhl (CSU) –zum Beispiel in einem Gastkommentar für die FAZ (siehe auch den Kommentar dazu bei Netzpolitik und „Die Weiswursttheorie des Doktor Uhl“) – einordnen. Ebenso andere Äußerungen aus der Union. Da Internet-Sperren Unfug sind, wenn man sie zur Bekämpfung der Verbreitung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern („Kinderpornografie“) einsetzen will, bleiben letztendlich nur zwei Möglichkeiten, warum Uhl weiter darauf beharrt:
- Er will Sperrsysteme etablieren, um sie auch bei anderen Inhalten einzusetzen.
- Es geht um die politische Positionierung. Wenn alle anderen Parteien dagegen sind, dann muss wenigstens einer noch dafür sein.
Die erste Variante hat Uhl selbst ausgeschlossen. Die Aussage ist klar und deutlich, und nehmen wir mal an, dass er es ernst meint. Bleibt also nur die politische Positionierung. Das Hochhalten der vermeintlich konservativen Fahne. Und die innerparteiliche Opposition.
Das ist ein übliches Spiel. Und man schafft sich damit Verhandlungsspielraum: „OK, ich gebe hier nach, aber dafür musst Du da und dort nachgeben!“. Für Uhl dürfte es ein politisches Thema wie jedes andere sein. Noch steht eine Antwort aus, aber ich glaube nicht, dass er bzw. seine Mitarbeiter es schaffen, eine andere sinnvolle Argumentation für Sperren zu finden.
Merkel hingegen will im Bereich der Netzpolitik nicht auf Konfrontation setzen, schreibt der SPIEGEL:
So will Merkel, dass sich die Partei mit der Internetgemeinde aussöhnt, die Schäuble mit seinem Gesetz zur Online-Durchsuchung verprellt hat.
Es war ja nicht nur Schäuble, und auch beim Thema Internet-Sperren soll Merkel mit dafür gesorgt hat, dass im Koalitionsvertrag eine Einigung mit der FDP zustande kam.
In Deutschland ist jetzt wohl eher Abwarten angesagt. Dafür müssen wir auf EU-Ebene die gleiche Diskussion führen, die wir in den vergangenen 16 Monaten in Deutschland geführt haben. Und auch da werden wir uns mit zwei verschiedenen Standpunkten auseinander setzen müssen: Zum einen mit den Leuten, die tatsächlich glauben, mit Internet-Sperren irgendwas im Kampf gegen Kindesmissbrauch erreichen zu können. Das hört sich auf den ersten Blick doch auch so gut an. Zum anderen mit denjenigen, die sich vor allem aus politischen Gründen für Sperren aussprechen. Die das Thema nutzen wollen, um sich damit von anderen abzusetzen. Das wird viel schwieriger, denn wenn es nicht um die Sache geht, kann man auch niemanden mit Sachargumenten überzeugen.
(Foto: Bundesarchiv/Heisler)
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