Klage wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung durch alternativen Browser im Browser: Die Hamburgerin Martina Nolte, laut eigener Darstellung Fotojournalistin, hat beim Amtsgericht Hamburg Klage eingereicht. 890 Euro verlangt sie dafür, dass der Web-Blaster auch einen ihrer im Hamburger Abendblatt erschienenen Artikel darstellen kann. Wie ein normaler Browser kann der Web-Blaster natürlich jede beliebige Webseite darstellen. Das wirft ganz interessante Fragen auf: wer darf eine Webseite darstellen? Muss sie auf eine bestimmte Art dargestellt werden? Gibt es „richtige“ und „falsche“ Browser? Wer darf eine fremde Webseite weiterverarbeiten?
Update: Termin für die Verhandlung steht fest.
Aber der Reihe nach: Der Assoziations-Blaster ist ein Netzliteratur-Projekt, das von Dragan Espenschied und mir im Januar 1999 gestartet wurde. Kurz gesagt werden dort Stichworten zugeordnete Texte untereinander verlinkt. Der Web-Blaster ist eine Erweiterung dazu und ein Nutzer kann jede beliebige Webseite „blasten“, also ebenso verlinken. Zum Beispiel dieses Blog. Das Ganze geschieht in Echtzeit mit den Originaldaten und unter Kontrolle des Anwenders. Eine genauere Beschreibung gibt es in der Klageerwiderung unseres Anwaltes Thomas Stadler.
Die Klägerin Martina Nolte ist in der Vergangenheit durch mehrere fragwürdige Abmahnungen aufgefallen und hat reihenweise Nutzer von Inhalten aus der Wikipedia abgemahnt. Von mir wollte sie im April noch 1400 Euro haben und drohte mit Anwaltskosten von 30.000 Euro und 28.000 Euro Schadensersatz. Nach entsprechendem Widerspruch war eine Zeit lang Ruhe, bis eine erneute Abmahnung wegen des Textes beim Hamburger Abendblattes eintraf.
Originaldaten oder nicht?
In der nun daraus resultierenden Klage werden viele falsche Behauptungen aufgestellt. So zitiert Noltes Anwalt Gordon Neumann sinnentstellend aus der FAQ zum Assoziations-Blaster und behauptet, wir würden Noltes Text speichern:
Der gesamte Vorgang geschieht nicht in Echtzeit mit den Original-Daten. Es werden dabei fremde Daten auf dem Blaster-Server zwischengespeichert.
Dabei ist das doch ganz einfach nachprüfbar! Änderungen auf Webseiten werden sofort auch im Web-Blaster sichtbar – eben weil die Daten nicht gespiegelt und auf dem Server des Web-Blasters nicht gespeichert sondern während dem Blasten vom Originalserver geholt werden. Auch das Einsetzen der Links geschieht in Echtzeit.
Die weitere Begründung, warum beim Web-Blaster der Nolte Text gespeichert sein soll, ist abenteuerlich:
Dies ergibt sich bereits aus dem simplen Umstand, dass die Internetseite von Suchmaschinen angezeigt wird, was eine ausreichend lange Speicherdauert (also Zwischenspeicherung) voraussetzt, - Anlage K8 -.
Anlage K8 enthält einen Ausdruck der italienischen Webseite godado, in dem Treffer des Web-Blasters zu finden sind. Allerdings nicht der Text von Marina Nolte. Denn der wird dank passender Meta-Tags nicht von Suchmaschinen beachtet.
Ein Link als Umleitung?
In der Klageschrift heißt es weiter:
Auf jeder Seite des Assoziations-Blasters werden mit Google-Anzeigen (linke Seite) Einnahmen erzielt. Die Seite ist verhältnismäßig gut besucht, sodass der Beklagte Werbeeinnahmen dadurch erzielt, dass Nutzer vom Web-Blaster auf den Assoziations-Bkaster „umgeleitet“ werden, wenn sie auf einen verlinkten Begriff klicken.
Achso, ein Link als Umleitung?
Die Behauptung ist also, dadurch dass ein Nutzer des Web-Blasters die Möglichkeit hat, eine beliebige Webseite in den URL-Schlitz beim Web-Blaster einzugeben, verdiene ich also viel Geld mit den Inhalten von Martina Nolte? Ein Blick auf die Statistiken bei Alexa offenbart: Im Verhältnis zum Assoziations-Blaster sind die Zugriffszahlen vom Web-Blaster verschwindend gering. Und das sollen wir also nutzen, um die Nutzer rüberzuziehen und damit Geld zu verdienen? Deutlicher wird der Vorwurf später geäußert:
Der entscheidende Unterschied zwischen dem von dem Beklagten betriebenen Web-Blaster und priviligierten Handlungen (z.B. ein „normaler“ Webbrowser) besteht darin, dass es dem Beklagten weder um das „Browsing“, noch um das „Caching“ geht. Vielmehr verfolgt der Beklagte ein handfestes wirtschaftliches Interesse dadurch, dass er Werbeeinnahmen erzielt, wenn ein User auf einen verlinkten Begriff klickt. In diesem Fall wird er – wie bereits vorgetragen – auf den ebenfalls von dem Beklagten betriebenen Assoziations-Blaster gelenkt, wodurch automatisch eine Werbeeinnahme erzielt wird.
Automatische Werbeeinnahmen? WOW! Warum bin ich noch nicht reich? Einen Link anzuklicken, der auf den Blaster führt, erzeugt natürlich KEINE Werbeeinnahmen. Die Idee ist möglicherweise charmant, aber Unsinn.
Und was ist denn mit Browsern, die Werbung anzeigen, so wie Opera das zumindest früher in der kostenlosen Version machte? Ist das dann auch kein „normaler“ Web-Browser?
Noch ein Leistungsschutzrecht gegen Google Translate?
Das Vorgehen Noltes richtet sich letztendlich gegen alle Web-Dienste, die Webseiten weiterverarbeiten. Zum Beispiel Google-Translate. Denn damit kann man auch Noltes Text übersetzen. Vergleichbare Werkzeuge gibt es viele, wie wir Nolte in unserer Antwort auf ihre Abmahnung auch geschrieben haben. Ob sie auch Google verklagt hat? Wäre mir nicht bekannt, aber es würde mich nicht wundern, wenn sie im Falle eines Sieges vor Gericht die große Keule hervorholen würde. Google müsste den Übersetzungs-Dienst einstellen, wenn jeder Urheber dagegen klagen könnte. Es wäre das Aus für die Vielzahl entsprechender Dienste.
Aber es geht um mehr. Es geht auch um die Frage, was denn nun ein „normaler“ Web-Browser ist. Firefox und Internet-Explorer? Opera, Safari? w3m, Lynx? Chrome? Letztendlich läuft Noltes Forderung darauf hinaus: die Hersteller von Software, die Web-Seiten darstellen können, sollen bezahlen. So wie die Verlage ein Leistungsschutzrecht fordern.
Eine solche Forderung ist natürlich Unfug, und so hat unser Anwalt Thomas Stadler in der Klageerwiderung geschrieben:
Der Denkfehler der Klägerin besteht darin, dass sie die Bereitstellung eines bestimmten Werkzeugs mit einer urheberrechtlichen Nutzungshandlung gleichsetzt bzw. verwechselt. Sobald also jemand einen fremden Text mittels einer Software darstellt oder verändert, müsste der Softwareanbieter hierfür Schadensersatz leisten, wenn man der klägerischen Logik folgt. Dass dem nicht so ist, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung.
Und nochmal die Wikipedia
Übrigens: Vom Wikimedia e.V. wünscht sich Nolte schon lange eine für sie kostenlose Studie zu den rechtlichen Fragen, die sie mit ihren Bilder-Abmahnungen aufgeworfen hat. Dabei wäre es einfach hier Klarheit zu erhalten: sie hätte ja auch da einfach gegen uns klagen können. Da ihre Argumente aber sehr an den Haaren herbeigezogen waren hat sie sich da wohl nicht getraut, und versucht es jetzt erstmal anders …
klageerwiderung-komplett.pdf
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