Schäuble gibt zu: es war Wahlkampf-Show

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Nun hat es Wolfgang Schäuble zugegeben, wie die dpa berichtet: Die Internet-Sperren waren Wahlkampf-Show:

Der Minister gab handwerkliche Fehler beim sogenannten Zugangserschwerungsgesetz für Stoppschilder im Internet zu. Das Gesetz zum Schutz vor Kinderpornografie sei im Endspurt des Wahlkampfes auch deshalb entstanden, um die CDU gegenüber anderen Parteien abzusetzen. (Quelle)

Nun, eigentlich haben es sich wohl die meisten Mitglieder der „Internet-Community“ (was auch immer man sich darunter vorstellen mag) schon lange gedacht, schon lange gewusst. Und schon vor einem halben Jahr habe ich entsprechendes in der ersten Pressemeldung des AK Zensur erwähnt: es ist wirkungsloser Aktionismus zu Wahlkampf-Zeiten. Man kann auch sagen: Ursula von der Leyen und die CDU/CSU haben missbrauchte Kinder bewusst für ihren Wahlkampf benutzt und damit ein weiteres mal missbraucht.

Aber nicht nur das. Für ein bisschen Wahlkampf-Show haben sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, sie haben ihm eine Internet-Zensur-Infrastruktur versprochen und sich dafür einen Vorteil im Wahlkampf erhofft. Und die SPD ließ sich aus Angst davor, von der BILD-Zeitung in die Kinderschänder-Ecke gedrückt zu werden, von der Union über den Tisch ziehen. Denn: der Ehemann der CDU-Verhandlungsführerin Martina Krogmann ist stellvertretender Chefredakteur der Bild-Zeitung. 

 

Die Wahlkampf-Taktik hat häufig geklappt. Wenn die Chefin der Internet-Ausdrucker-und-wieder-Einscanner den Internet-Abstinenzlern etwas erzählt, dann glauben die es.

Und nun fordert der Teufel seinen Tribut: den Aufbau einer Internet-Zensur-Infrastruktur. Der Tribut wird aber nicht von den Verursachern gezahlt, sondern von uns, den Internet-Nutzern, und unseren Kindern, den zukünftigen Internet-Nutzern. Hoffen wir, dass der Unsinn noch in letzter Sekunde zu verhindern ist und der Teufel einen anderen Tribut kriegt: den Verlust der Glaubwürdigkeit von CDU/CSU. 

Frau Krogmann hat sie schon verloren. Denn vor ein paar Jahren, als sie noch die Internet-Expertin der Union war, wehrte sie sich vehement gegen die Internet-Sperr-Pläne von Jürgen Büssow:

Dass die Zensurgelüste überhand nehmen, findet auch Martina Krogmann, Internet-Beauftragte der CDU/CSU-Fraktion. Es sei bedenklich, dass immer mehr "Ahnunglose auf den Vorstoß eines Einzelnen aufspringen". (Quelle)

Die Internet-Beauftragte der CDU, Martina Krogmann, sprach dagegen von einem "eindrucksvollen Beispiel" dafür, wie man der Internationalisierung des Informationsaustauschs nicht begegnen sollte. In dem Fall würden Inkompetenz und eine zweifelhafte Gesetzesauslegung auf die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts prallen: "Regierungsbezirk Düsseldorf contra Globalisierung." (Quelle)

 

Aber in Wahlkampfzeiten ist eben alles anders, wie Schäuble nun zugegeben hat. Da ist auch Krogmann auf den Wahlkampf-Zug von Familienministerin Ursula von der Leyen aufgesprungen. Danke für die Ehrlichkeit Herr Schäuble, aber Ehrlichkeit ist vor der Wahl gefragt, nicht danach.

 

3 TrackBacks

Der Moderator spricht von den „Schäden, die das das Internet anrichtet“; eine „Kinderschützerin“ behauptet, es gäbe vier Millionen Websites mit Kinderpornographie; die Polizistin spricht von einer „Schwarzen Liste“ mit 1400 Einträgen – und keiner merkt... Mehr

Stopp! von u1amo01 zu 28.11.09 22:24

Eigentlich erwarte ich von den Damen und Herren in Berlin nicht viel. Minister werden bei Bedarf einfach in ein völlig fremdes Ressort versetzt, neue Familienministerin wird eine ledige kinderlose Frau (ok, das ist polemisch), Gesetze werden aus Wahlkampf Mehr

Gefangen im Netz der simplen Antworten von Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) zu 10.01.10 12:35

In Wahlkampfzeiten neigen Politiker und Parteien dazu, Probleme zu trivialisieren und Lösungen zu simplifizieren. Paradigmatisches Beispiel dürfte dafür Ursula von der Leyen mit ihrem Vorstoß zur Sperrung kinderpornographischer Internetseiten sein. Im ... Mehr

3 Kommentare

Die Maschinerie ist nicht mehr zu stoppen, weil mit dem Aufbau der teuren und dennoch sinnlosen Zensurinfrastruktur erhebliche wirtschaftliche Interessen verbunden sind.
Das erkennt man bereits an den sehr differenzierten Meinungen der beiden Lobbyverbänden bitkom (Industrie) und eco (Provider). Die einen wollen verkaufen, die anderen sollen bezahlen.
Der Pakt mit dem Teufel ist über den Wahlkampfshow hinausgedacht auch eine zweifelhafte Wirtschaftsförderung. Oder soll ich eher schreiben, dass es eine Abwrackprämie für alte Techniik ist, die bereits ab diesem Jahr durch DNSSEC obsolet wird.

Ehrlichkeit ist leider überhaupt nicht gefragt... weder vor noch nach der Wahl.

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