Der rechtsfreie Raum im Wahlkampf

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Mehrere Bundestags-Kandidaten quasi aller Parteien fordern eine Ausweitung von Internet-Sperren. Das Schlagwort vom angeblich „rechtsfreien Raum“ ist in Wahlkampfzeiten natürlich beliebt. Bei den Urheberrechtsfragen besteht innerparteilich weniger Einigkeit als man denkt und bei den Internet-Sperren wollen angeblich auch Union und SPD „löschen statt sperren“. Nur komisch, dass sie erst kürzlich ein anders lautendes Gesetz verabschiedet haben – und viele Abgeordnete die nun „keine Zensur“ heucheln haben zugestimmt. Es ist Wahlkampf, und dank WEN WÄHLEN? treten so einige interessante Einblicke zu Tage ...

Im folgenden eine Zusammenfassung der Antworten und Begründungen der Kandidaten bei den netzpolitisch relevanten Thesen. (Anmerkung: Ein paar Infos zu dem was man als Wähler bei WEN WÄHLEN machen kann gibt es im alten Beitrag)

 

Bei WEN WÄHLEN? haben wir alle Kandidaten zum 17. Deutschen Bundestag gebeten, ihre Meinung zu 56 Thesen (auch als PDF/Druckversion) kund zu tun. Knapp 1000 Kandidaten haben zumindest einen Teil beantwortet, zum jetzigen Zeitpunkt haben 735 Kandidaten die Eingabe komplett abgeschlossen, dazu gehören zum Beispiel auch Kontaktdaten. Am fleißigsten waren dabei die Grünen, gefolgt von der Linkspartei, FDP und SPD. Viele Kandidaten haben bei der Beantwortung der Thesen auch eine Begründung abgegeben. Genauer: Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben die Kandidaten über 16000 (sechzehntausend!) einzelne Begründungen abgegeben!

Einige davon sind zwar Copy&Paste von Vorlagen der Partei (und das trotz gegenteiliger Bitte), andere sind aber teilweise durchaus interessant.

Noch ein Hinweis: die Prozentangaben im Folgenden sind vom 22. September. Da laufend weitere Kandidaten teilnehmen können die sich noch leicht ändern.

 

Ablauf

Die Kandidaten bekamen 56 Thesen vorgelegt, die sie jeweils mit „Ja!“, „Eher ja“, „Unentschieden“, „Eher nein“ und „Nein!“ beantworten konnten. Außerdem konnten sie 60 Sternchen auf elf Werte und Ziele verteilen sowie ein paar weitere Angaben machen. Hier spielen aber nur die Thesen eine Rolle. Die Antworten zu den Thesen konnten auch begründet werden. Als Nutzer kann man das ganze natürlich auch durchmachen: Einfach hier Postleitzahl oder Wahlkreis angeben und den Test starten.

 

Ausweitung von Internet-Sperren

Die These:

Das „Zugangserschwerungsgesetz“ soll ausgeweitet werden.

Die geheimen Internet-Sperrlisten des Bundeskriminalamts dürfen derzeit nur Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten enthalten. Sollen die Sperren auch auf andere Inhalte wie beispielsweise Urheberrechtsverletzungen, Glücksspiel-Angebote (z.B. Online-Poker), rechtsextremistische Inhalte, islamistische Propaganda oder Beleidigungen ausgeweitet werden?

 

In allen größeren Parteien gibt es Befürworter einer Ausweitung der Internet-Sperren: Bei CDU/CSU sind insgesamt ca. 23% dafür und weitere 23% schließen sich der Meinung ihrer Partei an. Bei anderen ernst zu nehmenden Parteien (sprich: nicht BüSo) sind die Sperrbefürworter aber nur eine Randgruppe, bei den Piraten gibt es erwartungsgemäß gar keine.

In den Begründungen wird es deutlicher: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Bernd Reinhold Gerhard Heynemann schreibt in seiner Begründung:

Was »offline« strafbar ist, muss auch »online« sanktionierbar sein.

Als ob das nicht schon immer so ist – aber jetzt muss es für neue Sperren herhalten.

Seine Kollegin Anette Hübinger will ganz explizit rechtsextreme Inhalte blockieren:

Bei einer möglichen Ausweitung des »Zugangserschwerungsgesetzes« muss mit bedacht vorgegangen werden, um nicht über das Ziel hinaus zu schießen. Die Erschwerung des Zugangs zu rechtsextremen Inhalten ist sicherlich sehr sinnvoll und kann dahingehend diskutiert werden.

Auch Winfried Anslinger, Pfarrer und Kandidat der Grünen, möchte „eher ja“ weitere Internet-Sperren, schränkt in seiner Begründung ein:

Man muss aber sorgfältig abwägen, um Zensurtendenzen zu vermeiden. Nur strafbare Inhalte sollen gesperrt werden können. Bagatellen im Bereich von Ordnungswidrigkeiten nicht. Auch Beleidigungen nicht. Dagegen kann man sich anders zur Wehr setzen.

Ähnlich äußert sich Franziska Eichstädt-Bohlig, ebenso Grünen-Kandidatin und Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus:
Aber nur mit klaren Kriterien, damit nicht eine neue Zensurbehörde daraus wird.
Allerdings muss man dazu sagen, dass allgemein die Sperr-Kritiker viel spärker vertreten sind und weitergehende Sperren insbesondere von den Kandidaten der Oppositionsparteien stark kritisiert werden. Sie bringen die bekannten und guten Argumente gegen Sperren an, auf die ich hier sicherlich nicht weiter eingehen muss.
Von den CDU-Kandidaten (bzw. schon derzeitigen Abgeordneten) kam mehrfach der folgende Textbaustein:
Das Gesetz zur „Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen“ ist eine wichtige Komponente für den Kinderschutz. Für uns ist aber auch klar, dass die Sperrmaßnahmen auf kinderpornographische Internet-Seiten beschränkt bleiben und nicht ausgeweitet werden.
Während Ruprecht Polenz „das Presserecht angemessen auf das Internet übertragen“ möchte, was auch immer damit gemeint ist.
Unklar bleibt, was der Heilbronner SPD-Abgeordnete Josip Juratovic meint, denn einerseits stimmt er gegen eine Ausweitung vom Zugangserschwerungsgesetz, andererseits schreibt er:
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Was in der wirklichen Welt verboten ist, sollte auch im Internet verboten sein. Das hat nichts mit Zensur zu tun. Zensur lehnen wir in der SPD-Fraktion aufs Schärfste ab.
Da stellt sich eben die Frage, was man unter Zensur versteht ...
Entschieden gegen das Sperrgesetz spricht sich auch die Abgeordnete und Baden-Württembergs SPD-Chefin Ute Vogt aus – nicht das erste mal:
Das Zugangserschwerungsgesetz ist leider im Kampf gegen Kinderpornographie völlig wirkungslos. Darüber hinaus stellt es einen ersten Schritt zu einer Zensurinfrastruktur dar. Man sollte nicht den Fehler machen, solche Zensurinstrumente weiter zu fördern.
Andere SPD-Kandidaten bzw. -Abgerdneten bleiben aber weitestgehend bei der offiziellen Linie: Sperre gegen Kinderpornographie ja, alles andere nicht. 

Mehr Regeln gegen Schund und Schmutz im Netz

Etwas deutlicher fallen die Antworten zu der These aus, ob das Internet stärker reguliert werden sollte, die konkrete These:

Das Internet sollte stärker reguliert werden.

Das Internet sollte stärker reguliert werden, um die Bevölkerung und die Jugend vor Kriminalität, Terrorismus sowie „Schund und Schmutz“ zu schützen.

Die Kandidaten der CDU/CSU sind zu rund 41% dafür, 23% dagegen und 35% sind unentschieden bzw. schließen sich der Meinung ihrer Fraktion an. Auch hier sind die anderen Parteien deutlich mehrheitlich dagegen, und auch wieder erwartungsgemäß gibt es bei den Piraten keine Regulierungs-Befürworter.

Interessanterweise sind auch einige FDP-Kandidaten unter den eindeutigen Regelungs-Befürwortern. So schreibt André Hubatschek:

Ja, aber sinn- und wirkungsvoll, das hat nichts mit Zensur zu tun. Kinderpornos, Bombenbauanleitungen, Gewaltverherrlichung usw. dürfen nicht noch durch dieses schnelle Medium befördert werden. Wie so etwas wirkungsvoll verhindert werden kann, wissen die Techniker besser (Problem: Umweg über ausländ. Server).

Und der FDP-Bundestagsabgeordnete Konrad Schily schreibt:

Auch bei Druckerzeugnissen darf nicht alles, z.B. Volksverhetzung oder anderes, auf den Markt gebracht werden.

Automatische Internetsperren dürfen nicht eingesetzt werden. Dies muss eine Einzelfallentscheidung bleiben.
Auch von den Grünen sind wieder ein paar Regelungs-Befürworter dabei. So beispielsweise wieder Franziska Eichstädt-Bohlig, sie schreibt:
Freiheit des Internet klingt gut und das Internet ist vielfach nützlich und interessant. Aber in einigen Jahren werden wir merken, daß das Internet kein Ersatz für die Erziehung zur eigenen Ethik und Moral und kein Ersatz für eigenes Denken ist.
Tjanun, mir wäre nicht bekannt, dass irgendjemand ernstzunehmendes das jemals behauptet hat.
Von CDU/CSU sowie SPD wird gerne der angeblich rechtsfreie Raum aufgeführt, dieser Mythos ist einfach nicht totzukriegen.
Der CDU-Abgeordnete Markus Grübel denkt bei der Frage nach Internet-Regulierung an Urheberrechte schützen:

Auch im Internet müssen Regeln gelten. Der Schutz von Urheberrechten – wer etwas erarbeitet muss auch die Möglichkeiten haben es zu verkaufen – und der Schutz insbesondere von Kindern und Jugendlichen – Kinderpornografie – macht eine Regulierung auch des Internets nötig.

Sein Kollege Cajus Julius Caesar (ja, den gibt es wirklich!) schreibt zur Frage nach stärkerer Regulierung:
Um Kinderpornografie zu verhindern und Straftaten einzudämmen, darauf begrenzen. 
Hier sind also schon die Straftaten mit dabei, und da er Kinderpornographie angesprochen hat wird er sich damit auch auf Internet-Sperren beziehen.
Deutlicher wird da der Antwalt und CDU-Kandidat Mario Michael Laurischk:
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Schund und Schmutz ist nicht verboten, aber Kriminalität ist dort genauso zu verfolgen wie im »echten« Leben. Wer strafbare Inhalte sucht, muss durch Sperren hieran gehindert werden, und wer diese umgeht, beweist besondere kriminelle Energie. Eine allgemeine »Zensur« aber verbietet unsere freiheitliche Grundordnung, und wird es daher natürlich auch im Internet nicht geben.
Oder der CSU-Abgeordnete Norbert Geis:
Wir müssen alles daran setzten, um Kriminalität im Internet zu verhindern und besonders unsere Kinder und Jugendlichen zu schützen.
Viele Kandidaten haben die Frage nicht richtig gelesen und denken bei allgemeiner Regulierung an Kinderpornographie und sagen entweder „Sperren bringen da nichts“ oder sprechen sich mal pauschal gegen Kinderpornographie aus. Das war aber eine eigene Frage:

Löschen statt Sperren?

Konkret lautet die These:

Internet-Seiten mit kinderpornographischen Inhalten sollen entfernt statt blockiert werden.

Derzeit erstellt das BKA Listen mit Webseiten, die kinderpornographische Inhalte haben. Die Internet-Zugangs-Anbieter sind verpflichtet, diese Sperrlisten einzusetzen. Dadurch bleiben die Webseiten im Netz, nur der Zugang aus Deutschland wird erschwert. Sollen stattdessen Strukturen ausgeweitet werden, die das Löschen entsprechender Webseiten auch auf internationaler Ebene möglich machen?

Und, man glaubt es kaum: nur rund 3% der CDU/CSU-Kandidaten und rund 4% der SPD-Kandidaten sind dagegen

Hallo? Frage richtig gelesen?

Da steht deutlich das Wort statt, aber viele dieser Damen und Herren haben gerade genau das Gegenteil beschlossen.

Das zeigt mir mehrere Sachen: zum einen ist die Frage sicherlich nicht ideal formuliert, wenn man sie auf das Gesetz bezieht. Zum anderen zeigt sich, dass durch die Art der Frage eine andere Antwort von den meisten Kandidaten nicht vertreten werden kann: wer will schon zugeben, das er gegen eine wirksame Lösung ist, wer kann denn gegen entfernen sein? Daher heuchelt man lieber vor, für die bessere Lösung zu sein, auch wenn man gerade die Gegenteilige beschlossen hat.

Viele der Koalitions-Abgeordneten bzw. Kandidaten haben bei WEN WÄHLEN? also für „Löschen statt sperren“ gestimmt, aber gleichzeitig „Sperren statt andere Wege suchen“ gemeint. Viele behaupteten, das Löschen sei nicht möglich, dann müsse blockiert werden. Eine interessante Frage an diese Kandidaten wäre mal, ob sie genauere Erkenntnisse als die Bundesregierung haben, denn die Bundesregierung weiss nichts von Ländern, in denen entsprechende Inhalte liegen aber nicht entfernt werden können. Offensichtlich bilden sich die Abgeordneten ein, mehr zu wissen ...

Nur wenige Kandidaten bzw. Abgeordnete haben sich getraut, die These so zu beantworten wie sie bis vor kurzem abgestimmt haben. Zum Beispiel die SPD-Abgeordnete Angelika Graf, die das folgendermaßen begründete:

Wir haben keinen Zugriff auf ausländische Server, deswegen bleibt nur die Sperrung.

Ehrlich, aber Schade, Frau Graf, ich hätte Ihnen erklären können, was man machen kann – aber leider haben ja nur wenige Ihrer Kollegen zugehört oder es dann doch beschlossen. Apropos: Der SPD-Verhandlungsführer beim Sperrgesetz, Martin Dörmann, hat bisher sein Profil nicht ausgefüllt, ebensowenig wie Ursula „Zensursula“ von der Leyen oder die ehemalige CDU-Internet-Expertin und Verhandlungsführerin beim Sperrgesetz Martina Krogmann
Die meisten sonstigen Begründungen der Kandidaten, die der These nicht zugestimmt haben, zeigen, dass die Kandidaten die Frage nicht verstanden haben. Nun, eine doppelte Verneinung war wohl etwas kompliziert.
Zu den Kandidaten der Oppositions-Parteien gibt es auch hier wieder nicht viel zu sagen, da sie sich mehr oder weniger Stark mit den bekannten guten Argumenten gegen die Sperren ausgesprochen haben.

Einführung eines Internet-Ausweises

Vor kurzem noch sollen CDU-Politiker einen „Internet-Ausweis“ gefordert haben, um Internet-Nutzer zurückverfolgen zu können.
Nun wollen sie nichts mehr davon wissen: bei der These „Ein Internet-Ausweis zur Identifizierung der Nutzer soll eingeführt werden“ haben nur gut 16% der Unions-Kandidaten mit ja gestimmt. Auch bei den anderen Parteien gab es nur wenig Zustimmung. 
Bei den Begründungen findet sich keine einzige Stimme von CDU/CSU für einen Internet-Ausweis. Interessanterweise aber zwei von der Opposition. So schreibt Klaus Albrecht von der Linkspartei:
Wer sich nicht zu erkennen gibt, hat was zu verbergen.
Das ist ja sonst nur ein Kampfbegriff der konservativen Überwachungsbefürworter, aber die gibt es offensichtlich in jeder Partei.
Auch in der FDP, deren Kandidat Björn Sänger schreibt:
Klar ist, daß sich im Internet keine Anonymität breit machen darf. Ob ein Internet-Ausweis hier ein geeignetes Mittel ist, muß mit Experten diskutiert werden.
Das sind aber Ausnahmen, die meisten Kandidaten sprechen sich wie gesagt dagegen aus. Der CDU-Textbaustein dazu lautet:
Die Einführung eines extra „Internet-Ausweises“ zu Zwecken der Strafverfolgung halten wir nicht für zielführend. 
Positiv anzumerken ist aber, dass es mit dem neuen elektronischen Personalausweis zukünftig möglich sein wird, Käufe und Verkäufe im Internet rechtssicher abzuwickeln.
Bei den Grünen lautet der passende Textbaustein:
Bei einem konkreten Verdacht kann eine Speicherung der zur Identifikation notwendigen Daten angeordnet werden. So ein Ausweis wäre nur eine andere Form der Vorratsdatenspeicherung.
Wir halten die bestehenden Regelungen für ausreichend, denn schon jetzt sind die Nutzer über die IP-Adresse des Computers ermittelbar.
Die Antwort vom FDP-Kandidaten Michael Conz bringt es auf den Punkt:
Schwachsinn! Das kann sich nur jemand ausdenken, der weder von Freiheit noch von Internet eine Ahnung hat.

Urheberrechtsverletzungen im Internet

Bei einer anderen These gehen die Meinungen wieder stark auseinander:
Es soll eine stärkere rechtliche Grundlage geschaffen werden, um zum Beispiel gegen Tauschbörsen im Internet und deren Nutzer vorgehen zu können. Auch Privatpersonen sollen stärker belangt werden.
Hier sind nur 10% der Unions-Kandidaten dagegen, 62% befürworten strengere Regelungen und knapp 28% sind unentschieden bzw. schließen sich der Meinung ihrer Fraktion an.
Bei der SPD sind 35% dafür, 20% dagegen und gute 43% unentschieden.
Bei den Grünen gibt es 13% Befürworter, über fast 60% Gegner und 27% unentscheidene. Sie stellen da quasi das Gegenteil der CDU/CSU dar. Bei der Linkspartei sieht es ähnlich aus, nur dass die Gegener nur auf 53% kommen und dafür rund 33% der Kandidaten unentschieden ist.
Bei der FDP befürworten rund 41% der Kandidaten ein härteren Vorgehens gegen Tauschbörsennutzer, 24% sind dagegen und die restlichen 35% sind unentschieden.
Interessanterweise ist es bei den Piraten nicht so klar, wie man das erwarten würde: keine 100% Opposition gegen härteres Vorgehen gegen Tauschbörsennutzer. Sogar fast 14% sind unentschieden. Das finde ich sehr erstaunlich.
Die Begründungen der Kandidaten allgemein sind dann auch wieder das übliche, zum Beispiel der CDU-Textbaustein:
Klar definierte geistige Eigentumsrechte sind eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern sowie für unseren wirtschaftlichen Erfolg in der Wissensgesellschaft insgesamt.
Schwammiger ist da der SPD-Textbaustein:
Produzenten von Inhalten müssen sich darauf verlassen können, dass ihre geistigen Produkte urheberrechtlichen Schutz genießen und ihre Verwertung vergütet wird. Das Urheberrecht ist in der digitalen Welt in diese Richtung weiterzuentwickeln.
Der Textbaustein der Grünen geht in die andere Richtung:
Das Urheberrecht muss dem digitalen Zeitalter angepasst werden. Die unverhältnismäßige Verfolgung und Kriminalisierung von TauschbörsennutzerInnen muss beendet werden. Auf keinen Fall darf es zur Kappung des Internetanschlusses kommen, wie dies in Frankreich diskutiert wird. Mehr Sinn macht eine Pauschalabgabe aller NutzerInnen die die nicht-kommerzielle Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für alle ermöglicht. So kann ein fairer Ausgleich zwischen NutzerInnen und Kreativen sichergestellt werden.
Frank Eschrich von der Linkspartei steht mit seiner Meinung eher auf CDU/CSU-Linie:
Urheberrechtsverletzungen sind keine Kavaliersdelikte.
Dennis Laurisch von den Piraten hat ein interessantes Statement:
Nichtkommerzielles Tauschen sollte im Sinne einer Privatkopie eher erlaubt werden. Zugegebenermaßen ist dies aber noch nicht der Weisheit letzter Schluß.
Das finde ich sehr löblich, hier zuzugeben, dass die richtige Lösung erst noch gefunden werden muss – und das eine ich nicht ironisch.

Alternative Entlohnungsmodelle für Künstler

Und noch eine These zum Urheberrecht:
Es sollte über alternative Verwertungsmöglichkeiten wie eine „Kulturflatrate“ zum Beispiel für Musik- und Filmschaffende und Autoren nachgedacht werden. Damit sollen sie für die Nutzung ihrer Werke in Tauschbörsen entschädigt werden, die im Gegenzug legalisiert werden.
Hier herrscht bei den Regierungsparteien großes Rätselraten, eine einheitliche Pro/Kontra-Richtung ist nicht festzustellen. Bei beiden sind knapp 50% unentschieden, bei der CDU sind rund 22% vorsichtig dafür und rund 30% dagegen. Bei der DPS sind es nur 10% dagegen und 40% dafür. Insgesamt scheint hier aber die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen zu sein. Ähnlich sieht es bei der FDP aus. Allerdings sind Unterschiede zwischen den bisherigen Abgeordneten und neuen Kandidaten festzustellen. Die bisherigen Abgeordneten vertreten i.d.R. eher die offizielle Linie, während bei den neuen Kandidaten die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen ist.
Nur die Piraten, Grünen und Linken sind mit relativ großer Mehrheit dafür. Interessanterweise sind hier bei den Piraten rund 10% gegen alternative Entlohnungsmöglichkeiten und knappe 8% unentschieden.
Arne Ludwig von den Piraten spricht dabei die Probleme an:
Ich sehe bei einer Kulturflatrate bisher keine realistische Möglichkeit die eingenommenen Gelder an die Künstler gerecht zu verteilen. Die bisherigen Konzepte, wie z.B. die GEMA, haben sich offensichtlich nicht bewährt. Weiter sollte die Verteilungspolitik der GEMA transparent gemacht, und Pauschalsysteme einer kritischen Analyse unterzogen werden.
[...]
Kopien bringen die Künstler um Einnahmen. Da die Kopien nicht zu verhindern sind, ist eine Umorientierung hin zu alternativen Zahlmethoden daher der einzige gangbare Weg.
Der Textbaustein der Grünen:
Es ist an der Zeit, nach konstruktiven Lösungen für die Vergütung und Nutzung kreativer Werke im Netz zu suchen. Durch Tauschbörsen und Filesharing sind nämlich massenhafte Urheberrechtsprobleme entstanden, die bis heute nicht gelöst sind. Eine Pauschalabgabe wie eine Kulturflatrate könnte zu einem fairen Ausgleich zwischen NutzerInnen und Kreativen beitragen Einen von uns vorgestellten Rechtsgutachten zufolge, wäre eine Kulturflatrate nach nationalem und europäischem Recht zumindest zulässig.
Wir wollen im Rahmen des sozialdemokratischen Kreativpaktes erreichen, dass Kultur- und Medienschaffende, Künstlerinnen und Künstler und Kreative von ihrer Arbeit leben können. Deshalb setzen wir uns für die Prüfung einer Kulturflatrate ein.
Durch die Flatrate würden zum einen rechtswidrige Tauschbörsen faktisch legalisiert und zum anderen legale Angebote rapide einbrechen. Die Kulturflatrate käme einer Enteignung der Urheber gleich.
Eine Kultur-Flatrate entzieht Künstlern und Rechteinhabern Möglichkeiten zur Verbreitung ihrer Werke und verhindert neue Verwertungsmöglichkeiten. Sie dämmt die Aushöhlung der Urheberrechte insbesondere im Internet nicht ein, sondern verhindert individuelle Leistungsanreize.

Fazit

Insgesamt sind die Kommentare sehr interessant, auch die prozentuale Verteilung der Meinungen der Kandidaten. Wer Zeit hat, soll sich einfach mal die Begründungen durchlesen. Insgesamt geht das Konzept von WEN WÄHLEN? gut auf: die einzelnen Kandidaten sollen ihre eigene Meinung darlegen können. Leider klappt das nicht überall, insbesondere wenn sich die Kandidaten stark an von der Parteispitze vorgegebene Musterantworten halten. 
Es ist aber aber auch zu sehen, dass in einigen Punkten weiterhin vollkommenes Unverständnis herrscht, zum Beispiel bei den Internet-Sperren. Und es ist zu sehen, dass viele Politiker sich nicht trauen, sich offen gegen eine unwirksame Methode zu stellen, gleichzeitig aber das Gegenteil beschließen, weil es populistisch vorgetragen wird. Da sollte die Netzgemeinde, da sollten wir alle als Netzgemeinde es schaffen, dass Unsinn besser als solcher entlarvt wird.

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Wen-waehlen.de - Zusammenfassung auf Odem von Blog of Ingo Jürgensmann zu 23.09.09 8:45

Nur kurz als Zwischenruf und Hinweis: Alvar Freude hat auf blog.odem.org von seiner Aktion wen-waehlen.de mal die Antworten der Politiker zu netzpolitischen Themen gesammelt und kommentiert. Interessant dabei ist unter anderem, daß viele Politiker der O Mehr

Wen wählen von Schnipsel zu 23.09.09 22:32

Bei "wen wählen" kann man das lustige Ankreuzspiel "Welche Partei behauptet meiner Meinung zu sein" jetzt auch für die einzelnen Wahlkreiskandidaten spielen. Eine gute Gelegenheit, sich die Leute auch mal anzusehen. Auch die Chancenlos Mehr

9 Kommentare

Müsste es im Fazit nicht "...viele Politiker sich nicht trauen, sich offen gegen eine unwirksame Methode zu stellen,..." heißen, oder täusche ich mich da?

In der Tat, richtig – ist korrigiert. Danke!

Korrekt verlinkt aber falsch geschrieben: Die Dame heißt "Martina", nicht "Marina".

Die Arbeit in allen Ehren, doch ist das Ergebnis erwartungsgemäß. Verblüffend ist zumindest, dass viele Mitglieder von sog. Bürgerrechtsparteien, wie sie sich neuerdings gerne nennen, Sperrtendenzen befürworten. Etwas Kritik an AK Zensur muss ich dennoch los werden. Wie ich feststellen konnte, ist AK Zensur trotz aller Widersprüche mit der SPD in Kommunikation getreten und hat sogar den sog. "Ludwigsburger Dialog" der selbsternannten "Piraten in der SPD" unterstützt und mitgetragen. Da seid ihr der SPD aber gehörig auf den Leim gegangen: http://guedesweiler.wordpress.com/2009/09/11/ferkel-vs-steinmarder-das-web-duell

Wenn man jetzt bloß noch den Copy&Paste-Grad der Politiker bestimmen könnte... Und alle so: "Yeaahh"!

Sie haben auf "http://www.wen-waehlen.de/btw09/kandidaten/begruendung_1075.html" einige Leute falsch einsortiert, z.B. Horst Schneider (DIE LINKE).

Die Einsortierung haben die Kandidaten selbst gemacht. Sprich: sie haben das eine angekreuzt und als Begründung das andere gesagt.

Bei Spreeblick schrieb ein Kommentator, es seien doch scheinbar Thesen ausgewählt worden, die in letzter Zeit so durch die Medien geisterten. Und hier zeigt sich, dass gerade das die Stärke von Wen Wählen ist! Vielen Dank für diese Analyse :)

Mal wieder großartige Arbeit, Alvar!

Einen Typo hätte ich noch anzukritteln:
… und das eine ich nicht ironisch
(direkt über der Überschrift Alternative Entlohnungsmodelle für Künstler).

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