Heute wurde die Antwort der Bundesregierung (PDF, 1 MB) auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion bezüglich Internet-Sperren verschickt.
Klar wird aus der Antwort: Die Bundesregierung ist ahnungslos bis zum abwinken, will aber dennoch ein Internet-Sperr-Gesetz. Ich schwanke zwischen Trauer und Wut.
Ein paar Highlights:
Frage: In welchen Ländern steht Kinderpornographie bislang nicht unter Strafe?
Antwort: Dazu liegen der Bundesregierung keine gesicherten Kenntnisse im Sinne rechtsvergleichender Studien vor. [...]
Frage: Wie viele Server [...] stehen in Ländern, in denen Kinderpornographie nicht unter Strafe steht?
Antwort: [...] [Die Bundesregierung] hat keine Informationen über Serverstandorte in solchen Ländern.[...]
Frage: Über welche wissenschaftlichen Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Verbreitung von Kinderpornographie [...]
Antwort: Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse. [...]
Frage: In welchem Umfang plant die Bundesregierung die vergabe einer wissenschaftlichen Studie über das Ausmaß und die Wege der Verbreitung von Kinderpornographie im Internet und Wege zur Effektiven Bekämpfung solcher Inhalte?
Antwort: Die Bundesregierung plant derzeit nicht die Vergabe einer wissenschaftlichen Studie. [...]
Frage: Welche Sperrlisten anderer Länder hat die Bundesregierung untersucht?
Antwort: Die Bundesregierung hat keine Sperrlisten untersucht. [...]
Frage: Auf welche Datengrundage stützt sich die Bundesregierung bei der Einschätzung des kommerziellen Marktes für Kinderpornographie in Deutschland?
Antwort: die Bundesregierung verfügt über keine detaillierte Einschätzung des kommerziellen Marktes für Kinderporngraphie in Deutschland. [...]
Frage: Wie Hoch schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, dass Anbieter und Interessenten von Kinderpornographie die Sperren für sich ausnutzen, um zu ermitteln, ob sie sich bereits im Fokus von Ermittlungen befinden? [...]
Antwort: Die Bundesregierung sieht hierin keine Gefahr. [...] [Anmerkung: sprich: technischer Sachverstand: Null.]
Und so weiter ...
2009-06-11-anfrage-sperren.pdf
PS: Warum Internet-Sperren nutzlos aber gefährlich sind steht auf der Website des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zenur (AK Zensur).
Interessant ist doch, dass man sich über die Beantwortung der Fragen politisch überhaupt keine Gedanken gemacht hat. In jedem Unternehmen wäre jemand dazwischen gegangen und hätte etwas gesagt wie "Das können wir doch so nicht sagen, wie stehen wir denn dann da?" oder "Damit sagen wir, dass wir nichts wissen und die Grundrechteeinschränkung faktisch billigend in Kauf nehmen."
Nicht so bei der Regierung. Die Ministerialen haben entweder den Schneid, ihre Minister auflaufen und dumm dastehen zu lassen, oder aber (wahrscheinlicher) so manifeste politische wie inhaltliche Ahnungslosigkeit, dass man gegen die Vorgesetzten ein Verfahren wegen der Veruntreuung von Steuermitteln im Rahmen der Besoldung einleiten sollte.
Es schreit zum Himmel.
Danke Alvar.
Sehr schön auch die Frage nach den Profiten, die mit Kinderpornographie angeblich verdient werden:
FRAGE:
Auf welche Datengrundlage stützt sich die Bundesregierung bei nder Einschätzung des kommerziellen Marktes für Kinderpornographie in Deutschland?
ANTWORT:
DIE BUNDESREGIERUNG VERFÜGT ÜBER KEINE DETAILLIERTE EINSCHÄTZUNG DES KOMMERZIELLEN MARKTES für Kinderpornographie in Deutschland. [..]
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Aber klar: Nach Frau Leyen geht es darum einen Markt TROCKEN ZU LEGEN auf dem hunderte von Millionen Euro verdient. Ekelhafte Lügnerin: Keine Ahnung, aber den Menschen dreist was in die Tache lügen um ein generisches Zensurgesetz auf den Weg zu bringen.
MAN WILL IHR INS GESICHT SCHREIEN, Dass die das Volk ANLÜGT, es ist soooooooo widerwärtig!!!
Grüße,
Frank
@Frank: Mir ist zuletzt auch die Galle hoch gekommen: http://www.jorma.de/2009/06/05/mitzeichnung-der-petition-gegen-indizierung-und-sperrung-von-internetseiten
Es ist interessant, dass die Ministerin bei einigen Leuten offensichtlich Assoziationen mit Widerwärtigkeit und Ekel hervorruft.
Die Zeiten sind für Satiriker wirklich hart, denn für eine gelungene Satire muss man die gegebenen Umstände so sehr erhöhen, dass sie als starke Übertreibung witzig und aufrüttelnd zugleich sind. Aber wie bitte schön soll man das noch satirisch überhöhen?
mir faellt nichts mehr ein ... außer Reime
Was ich am Bemerkenswertesten finde, ist das ständige "Die Bundesregierung geht davon aus[...]" Sie hat also keinen Plan, was das BKA macht... und die wollem dem noch mehr Macht geben...
Eine sehr schöne Leeraussage ist auch Nr. 23:
Warum wurde der Vertrag zwischen dem BKA und mehreren Internetprovidern [...] nicht veröffentlicht?
[...] Es ist Teil der Vereinbarungen, die Verträge nicht zu veröffentlichen.
Ich finde es schade, dass Alvar Freude hier mittels "[...]" die Antworten auf Halbwahrheiten zusammengekürzt hat. Das gibt unserem zensurkritischen Standpunkt den faden Beigeschmack, uninformiert zu urteilen.
Ich lege jedem nahe, vor einem Urteil die (vorbildlich) verlinkte Quelle zu lesen. Es gibt dort weit mehr Fragen, von denen nur diejenigen (wohlweislich ohne Nummer) hier teilzitiert wurden, deren Antwort mit "Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse." und Co _anfangen_. Diese Antworten werden dabei in der Regel fortgesetzt mit sowas wie "aber diese und jene ausländischen Quellen haben Erkenntnisse...". Folglich hat die Regierung sehr wohl eine Vorstellung von der Antwort, nur eben keine eigene.
Was ich allerdings viel schlimmer finde ist die vollständige Antwort auf die folgende Frage:
"Frage Nr 10: In welchem Umfang plant die Bundesregierung die Vergabe einer wissenschaftlichen Studie über das Ausmaß und die Wege der Verbreitung von Kinderpornographie in Internet und Wege zur Effektiven Bekämpfung solcher Inhalte?
Antwort: Die Bundesregierung plant derzeit nicht die Vergabe einer wissenschaftlichen Studie. Sie geht aber davon aus, dass im Zusammenhang mit der Evaluierung des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen (nach dem vorliegenden Entwurf innerhalb von 2 Jahren nach Inkrafttreten) eine umfassende Untersuchung in Auftrag gegeben wird."
Im Klartext: Wege zur effektiven Bekämpfung sollen erst in zwei Jahren untersucht werden, und auch über die Wege Verbreitung müssen wir jetzt noch nichts wissen, denn jetzt gibt es ja erstmal das Stoppschild und deswegen muss man das in zwei Jahren ja sowieso untersuchen. Solange kann man mit dem Löschen von Kinderpornographie ja noch warten. Ne, is klar.
Hier wird klar, dass die Regierung die Sperren benutzt, um die nächsten zwei Jahre nichts mehr für das Aufspüren und Löschen von Kinderpornographie tun zu müssen.
wirklich übel sowas. Eigentlich peinlich genug. Frag mich nur warum ich in den "normalen" Printmedien nicht darüber lese...
Soweit ich weiß, holen die sich schon Rat von Experten, wenn sie neue Gesetze und Verordnungen machen.
Soweit ich weiß, holen die sich schon Rat von Experten, wenn sie neue Gesetze und Verordnungen machen.
@7 (saibot):
ich vermute ja, dass einige von denen die sperrwünscher von morgen sind.
.~.
"Soweit ich weiß, holen die sich schon Rat von Experten, wenn sie neue Gesetze und Verordnungen machen."
Und ignorieren diesen dann geflissentlich. Siehe Vorratsdatenspeicherung oder Hacker-Paragraph, wo der breite Konsens der Experten war "Lasst den Scheiß"
1) Gibt es eine Evaluierung zum Thema
http://www.evaplan.org/pub/grafik/pdf/gewalt1.pdf
Mit Marktschätzung auf 6 Mrd EURO S. 56 für Kinderprostitution und -pornografie zusammen.
2) Kann jetzt jeder das Umgehen einer DNS-Sperre selber üben (war 'ne halbe Stunde Arbeit)
http://tinyurl.com/hitd-tst-0001
Und als neues Spiel, ich muß mal für den Namen "Erschreck den Dr. Wiefelspütz" anfragen
http://tinyurl.com/hitd-tst-0002
@Xorg:
"dass Alvar Freude hier mittels "[...]" die Antworten auf Halbwahrheiten zusammengekürzt hat."
Wenn Alvar zu seinen Zitaten nicht den vollen Wortlaut seiner Quelle bereitstellen würde, fände ich es auch schade. Tut er aber nicht.
\o/
Jeder kann also in der Quelle nachlesen und wird es auch, so erforderlich, in völlig üblicher Weis tun.
Speziell zu Frage 10 finde ich das Zitat äußerst treffend gewählt.
Warum?
Weil man nicht erst seit gestern das Thema KiPorn&Co auf dem Schirm hat und somit lange genug Zeit, das Thema entsprechend anzugehen. 2 Jahre nach Einführung des Gesetzes endlich mal eine wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben zeigt eigentlich ehr, wie wichtig das Thema in entsprechenden Kreisen wirklich genommen wird.
Ergo:
Man gibt zu, ein Gesetz machen zu wollen, (welches möglichst wirkungsvoll sein soll?) ohne grundlegende Kenntnisse über die Sachverhalte zu haben, auf welche dieses Gesetz angewendet werden soll.
Tolle Wurst!
Naivität? Vosatz? Man weiß es nicht.
;-) Paule
Danke, Alvar. Ich fürchte, es wird nichts nützen, aber was du machst ist trotzdem richtig und wichtig.
Ich möchte es hier auch schreiben. Missbrauchte Kinder werden hier noch einmal missbraucht, um die Zensurpläne der Bundesregierung zu begründen.
wie dumm muss man sein? Ich reiße aus dem Telefonbuch ein paar Seiten raus und verhindere den Missbrauch von Kindern?
Wir müssen blöd sein, uns von einem drittklaasigen Laienschauspielensemble regieren zu lasen.
Liebe Grüße an alle Mitstreiter
Wilfried
der Grund, warum keine etablierten Medien darüber berichten, ist simpel:
es ist bei weitem nicht das erste mal, das jemand völlig zu recht feststellt, dass die bundesregierung völlig inkompetent und korrupt ist. in nahezu allen bereichen verlässt sich die regierung nur auf aussagen von "beratern" z.b. lobbyisten und kümmert sich nur wenig um die wahrheit.
wie wenig ahnung die regierung hat wird einem ja erst klar, wenn man selber ahnung hat und merkt, was für einen schwachsinn die reden.
aber auch wenn das jetzt zum ersten mal richtig groß im internet breitgetreten wird, neu ist das ganze nicht.
und da das thema für die medien nicht sonderlich interessant ist, berichten sie lieber über irgendwas anderes. was die bundesregierung auch verkackt hat.
regt euch nicht auf, das ist nichts besonderes, das geht schon immer so und wird auch immer so bleiben. egal was ihr tut.