Verwässerung der Online-Beteiligung in der Internet-Enquête? (Update)

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Nach der heutigen Sitzung der Internet-Equuête gab es einige Kritik daran, dass der Antrag für die Einsetzung von Adhocracy verwässert worden sei.

Als Initiator und Haupt-Autor dieses ursprünglichen Antrages und jemand, der den Entstehungsprozess begleitet hat, muss ich dem widersprechen.

Der angenommene Antrag sieht weiterhin die zwingende zeitnahe Einführung von Adhocracy vor. Er ist ein Kompromissvorschlag der Fraktionsreferenten. Er war uns fünf, die den ursprünglichen Antrag eingebracht haben, seit Freitag bekannt. Es gab keinen Widerspruch (auch nicht von jetzigen Kritikern). Am heutigen Montag wurde aber ein für mich, die Abgeordneten der Opposition und die meisten von der Opposition benannten Sachverständigen ein nicht akzeptabler Antrag von CDU/CSU, der eine deutliche Aufweichung bedeutet und die Einsetzung von Adhocracy weiter verzögert hätte, in den Raum geworfen:

Beschluss

Die Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ begrüßt den Vorschlag der Sachverständigen der Online-AG, in die Meinungsbildung intensiv Diskussonsplattformen außerhalb des Deutschen Bundestages, wie das Beteiligungswerkzeug Adhocracy, einzubeziehen.  Sie wird beauftragt, auf der Grundlage des Beteiligungskonzepts vom 13. September 2010, bis zur nächsten Sitzung der Obleute am 24. Februar 2011 einen Vorschlag zur Veröffentlichung der Inhalte der Enquete-Kommission und die Einbeziehung der Diskussionsbeiträge zu machen.  Das Enquete-Sekretariat wird beauftragt, dies zu unterstützen.

 

Inakzeptabel ist dabei, dass mehrere Plattformen genutzt werden sollen (was eine Zersplitterung zur Folge hat) und dass nochmals eine Diskussion um ein neues erweitertes Konzept starten soll, was die Einführung deutlich verzögert. Außerdem suggeriert das „außerhalb“, dass dies inoffiziell, unverbindlich und ohne relevante Bedeutung ist. Wir wollen aber sofort loslegen, daher war es für mich inakzeptabel.

Da die beiden Sachverständigen der Koalition, die unseren urspünglichen Antrag mit gestellt haben, dem der Union zustimmen und ihren eigenen ablehnen wollten, hätte dieser eine Mehrheit erhalten. Der Referentenentwurf war daher der Kompromiss, für den wir eine Mehrheit bekommen konnten.

 

Update/Nachtrag:

Noch ein paar Zitate aus dem Beschluss, Hervorhebung von mir:

Die Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ bezieht gemäß ihrem Einsetzungsbeschluss die Öffentlichkeit in die Arbeit der Kommission und der Projektgruppen auf der Grundlage des einstimmig beschlossenen Konzeptes zur Online-Beteiligung der Öffentlichkeit ein.

[…]

Ziel ist zudem, die Öffentlichkeit bereits an der laufenden Diskussion und der Vorbereitung der Erstellung desZwischenberichtes zu beteiligen. Der „18. Sachverständige“ muss sowohl die Möglichkeit haben, Texte aus der Kommission oder den Projektgruppen zu kommentieren und Alternativen vorzuschlagen,als auch eigenständige Textbeiträge passend zur jeweiligen Agenda der Projektgruppen einzubringen sowie darüber abzustimmen.

[…]

Die Enquete-Kommission begrüßt, dass Sachverständige aller fünf Fraktionen im Deutschen Bundestag der Enquête-Kommission in Zusammenarbeit mit den Entwicklern von Adhocracy Liquid Democracy e. V. kostenfrei und zeitnah eine Instanz von Adhocracy zur Verfügung stellen. 

[…]

Diese Instanz von Adhocracy wird neben den bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten der Enquete-Kommission im Rahmen des Online-Angebots des Deutschen Bundestages als zentrales Werkzeug zur Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen des Beschlusses der Enquête-Kommission vom 13. September 2010 in der Verantwortung des Sekretariates der Enquête-Kommission sowie in Zusammenarbeit mit den Entwicklern des Partizipationswerkzeuges Adhocracy eingesetzt.

[…]

Grundsätzlich regt die Enquete-Kommission an, dass Textentwürfe der Kommission und insbesondere der Projektgruppen möglichst zeitnah und vollständig in das Online-Angebot der Enquete-Kommission im Rahmen des Deutschen Bundestages und auch in das Beteiligungswerkzeugt eingepflegt werden, so dass eine Beteiligung der Öffentlichkeit (des „18. Sachverständigen“) genauso wie für normale Mitglieder der Enquête-Kommission möglich ist. Den Verfassern möglicher Textentwürfe soll es ermöglicht werden, ihre Textentwürfe möglichst frühzeitig zur Diskussion zu stellen.

[…]

Beschluss

Die Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ begrüßt den Vorschlag der Sachverständigen der Online-AG, zusammen mit den Entwicklern von Adhocracy ein Beteiligungswerkzeug einzurichten. Die Kommission wird dies gemäß dem Beteiligungskonzept vom 13. September zur Online-Beteiligung der Kommission neben ihren bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen des Online-Angebots des Deutschen Bundestages nutzen und beauftragt das Enquete-Sekretariat dies zu unterstützen.

Gleichzeitig wird die Kommission heute eine Arbeitsgruppe zur Online-Beteiligung einrichten und verbindliche Verfahren und Prozesse definieren, um die Beteiligung sicherzustellen.

 

Aber offensichtlich bekommen einige Leute nun Angst, Angst vor der Bürgerbeteiligung. Und wollen wieder dagegen vorgehen. Das finde ich sehr traurig.

 

Online-Antrag_Entwurf-Fraktionsreferenten-beschlussversion.pdf

 

7 Kommentare

Von mir aus hätten wir ruhig den CDU-Antrag und unseren Antrag abstimmen lassen können. Ich gehe nicht davon aus, dass z.B. padeluun dem CDU-Antrag zugestimmt hätte. (Warum sollte er?) Und ich bin immer noch nicht überzeugt, dass der Kompromissvorschlag genau dasselbe sagt, wie unser Antrag.

Aber ich lass mich gerne mal davon positiv überraschen, dass jetzt alles gut wird.

Lieber Alvar Freude,

ich will den Glauben an das Gute im Bundestag nicht rauben. Aber mit Blauäugigkeit kommt man nicht weiter. Die wollen nicht. Und ich kann es historisch belegen http://www.tauss-gezwitscher.de/?p=1989

Gruß Jörg Tauss
MdB von 1994 - 2009

Der CDU-Antrag wäre mir den beiden Stimmen durchgekommen, das haben sie (unter Zeugen ;-) ) angekündigt!

Dass von einigen mit Absicht geblockt wird ist ja nicht neu. Dass einige die Beteiligung um jeden Preis verhindern wollen ist offensichtlich.
Aber dennoch hat ein Antrag die Mehrheit bekommen, der genau das Gegenteil sagt. Und es ist klar, dass es jetzt darum geht, auch sicher zu stellen, dass die Beteiligung umgesetzt wird. Das wird nicht leicht …

Die ganzen schönen Dinge stehen im Prosateil des Beschlusses. Ich fürchte unsere Freunde von der Koalition werden sich auf den Teil der explizit Beschluss heißt zurückziehen und dann sieht die Welt schon nicht mehr so rosig aus. Die machen ja nicht erst seit gestern Politik. Aber hoffen wir das beste...

Den wichtigsten Satz hast Du nicht zitiert, Senor Freude:
"Der Einsatz ist vorerst bis zum Abschluss der Evaluation der Online-Beteiligung vorgesehen."

Damit ist verklausuliert, was eigentlich bedeutet: Wir evaluieren anhand selbstgebogener Statistik über das Potenzial von Bürgerbeteiligung, laden 500 Dumme (vorzugsweise arbeitslose RTL-Scripted-Reality-Zuschauer) ein, sich via Adhocracy zu beteiligen, beklagen dann, dass kein Interesse an der Mitwirkung der Bürger besteht, weil es ja nicht mal 500 Teilnehmer waren, und nach Abschluss der Evaluation wird Adhocracy mangels Mitwirkung der Bürger begraben...

Die gleiche Formulierung ist auch im Original-Antrag enthalten.
Und die Schlussfolgerung, die Du daraus ziehst, ist ziemlich abstrus. Warum sollen wir denn überhaupt einen Antrag stellen, wenn wir 500 dumme RTL-Zuschauer anheuern wollen? Wäre doch viel einfacher, die im vorhandenen Forum einzusetzen.

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