„Schreibe nichts der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“, so lautet ein geflügeltes Wort. Und es ist gerade zu ein Grundsatz der Kommunikation zu unterstellen, ein Gesprächspartner meine wirklich ernst, was er gesagt hat. Wenn man die aktuellen Äußerungen des BKA-Präsidenten Ziercke nach diesen Grundsätzen analysiert gibt es nur zwei mögliche Schlüsse: Der Mann kann sich nicht klar ausdrücken. Oder - der Mann kann keinen klaren Gedanken fassen. Im Einzelnen:
“Sperren gegen Kinderpornografie wirken (…) abschreckend. (…) Denn wer solche Warnschilder bewusst umgeht, hinterlässt Spuren auf seinem Computer.“
Wer einen freien, also nicht durch das BKA zensierten DNS-Server nutzt, hinterlässt auf seinem Computer keine Spuren, die in irgendeiner Weise auch nur als ein Indiz für die Absicht des strafbaren Besitzes von Kinderpornographie verwertbar wären. Sind etwa alle Nutzer von OpenDNS oder der Nameserver des Chaos Computer Clubs jetzt verdächtig, strafbare Handlungen begehen zu wollen? Die Verbalkriminalisierung von freien DNS-Servern (oder alternativ Verschlüsselungsmechanismen) ist sachlich falsch und im Übrigen eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig. Prinzipiell hat jeder Bürger erstmal das Recht sich staatlicher Kontrolle seiner Telekommunikation entziehen zu wollen, ohne dass daraus ein Indiz für die Absicht strafbarer Handlungen folgt.
„Natürlich veranlassen wir sofortige Löschungen. Aber: Wer mit großem Aufwand Kinderpornografie produziert, verfügt immer auch über Kopien des Materials. Das alleinige Löschen einer IP-Adresse führt damit nicht zum Verschwinden der schrecklichen Bilder aus dem Internet.“
Abgesehen davon, dass Ziercke sich dazu befähigt sieht über IP-Adressen zu reden, aber offensichtlich nicht weiß, was das ist: Wenn das BKA die sofortige Löschung kinderpornographischer Inhalte veranlasst, nun, dann sollte es dringend lernen, wie man dabei effizienter wird. Klammheimlich redet Ziercke jetzt auch nicht mehr über die Konsumenten, sondern über die Verbreiter kinderpornographischen Materials. Und meint offensichtlich, dass Löschen allein gegen die Verbreiter kinderpornographischen Materials nichts bewirken würde – weshalb man „Sperren“ brauche. Ein Stopp-Schild für potentielle Zuschauer ist also besser, als direkt den Täter bei seiner Arbeit zu behindern? Die Opfer müssen das als eine unerträgliche Verhöhnung auffassen!
Und: weil Hustensaft nur einige Symptome der Grippe bekämpft, ist es besser ein möglicherweise sogar schädliches Placebo zu verschreiben? Richtig ist doch: das Löschen kinderpornographischer Inhalt stoppt die weitere Verbreitung dieses konkreten Materials.
Wer aber gegen die wahren Verursacher vorgehen will, muss eine funktionierende internationale Strafverfolgung in diesem Bereich organisieren. „Sperren“ stoppt weder die weitere Verbreitung des konkreten Materials, noch hilft es bei der Strafverfolgung der Verbreiter dieses Materials. Im Gegenteil für die professionell agierenden Täter sind Netzsperren ein überaus geeignetes Frühwarnradar dafür, ob sie entdeckt worden sind. Das Placebo „Sperren“ ist also bei der Strafverfolgung sogar hinderlich. Die Erfahrung zeigt zudem, dass Ermittler gerne Sperrlisten führen, ohne die Kollegen im benachbarten Ausland über die Inhalte zu informieren. Die Sperrlisten vermindern also die Chance auf Strafverfolgung: In der Praxis ist es eben einfacher, eine Domain auf die Liste zu setzen …
Wenn man dieses Heißdampfplaudern also ernst nähme, müsste man dem BKA-Präsidenten Ziercke ein vernichtendes Urteil ausstellen. Nimmt man an, hinter diesen Äußerungen stünde ein klarer Sachverstand und ein bisschen Böswilligkeit, dann machen die Äußerungen auch und vielleicht sogar mehr Sinn. Dann würde diese Interviewstelle besagen: „Sparen wir uns die Mühsal in der Organisation einer effektiven internationalen Strafverfolgung, mag jeder national bei der Strafverfolgung von Kinderpornographie vor sich hinwurschteln und beschränken wir uns darauf, hier in Deutschland die Symptome mit Blockaden zu kaschieren.“ Aber diesen Gedankengang dürfte Herr Ziercke in einem Interview natürlich nicht so klar formulieren. Damit läßt sich keine Politik machen.
Vielleicht geht es Ziercke und dem BKA aber auch um was ganz anderes: sie wollen einfach mal eine Zensur-Infrastruktur einrichten und damit üben, um das bald darauf auch auf andere Inhalte auszuweiten. Als nächstes würden sich beispielsweise Islamisten anbieten.
Ergänzung, 1. Februar: Thomas Stadler hat eine sehr lesenswerte Begründung, warum der BKA-Präsident weiter für Netzsperren ist.
Ich unterstelle dem Ziercke eigentlich nur noch, dass er mutwillig mit KiPo den Wunsch durch drückt., seinen Laden noch weiter auszubauen, damit wir endlich eine verfassungswidrige, bundesweite Ermittlungsbehörde a la FBI bekommen.