Die Bundesregierung hält sich erst nicht an Europarecht, reicht dann ein veraltetes Dokument bei der EU ein und tauscht dann still und heimlich das veraltete Dokument gegen ein aktuelleres aus, ohne dies zu kennzeichnen und die Frist entsprechend zu verlängern.
Laut der EU-Richtlinie 98/34/EG muss jedes EU-Mitglied Gesetze, die sich mit „Diensten der Informationsgesellschaft“ befassen, den anderen EU-Mitgliedsstaaten vorlegen. Diese können dann Einspruch einlegen und die EU-Kommission kann dann zum Beispiel feststellen, dass diese Regelung zur Harmonisierung des Binnenmarktes EU-weit getroffen werden sollte. Oder eben, dass eine andere oder keine Regelung getroffen werden sollte. Prof. Thomas Hoeren hat dies ausführlicher beschrieben.
Das „Zugangserschwerungsgesetz“ ist nun ein entsprechendes Gesetz. Das hätte also im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens und vor der Verabschiedung durch den Bundestag der EU vorgelegt werden müssen. Dies geschah nicht.
Dies geschah erst am 7. Juli 2009, da war das Gesetz längst verabschiedet. Es wurde da aber nicht die damals aktuelle Version, die bereits vom Bundestag verabschiedet war und wenige Tage später dem Bundesrat vorgelegt wurde, eingereicht. Nein, es war der alte Gesetzesentwurf, der nochmal komplett umgeschrieben wurde! Die wissen also mal wieder nicht was sie tun.
Offensichtlich hat man dies nun heute auch gemerkt und schnell eine neue Version hinterhergeschoben. In der Zwischenzeit ist in deutscher Sprache nur noch die neue Version online, die anderen Sprachen enthalten noch die alte Version …
Hier zum Vergleich die Word-Dokumente:
- Alte Version (auch als PDF), enthält die Dokument-Infos:
Erstellt am: 08.07.2009 11:29:00; Autor: werth
Geändert am: 08.07.2009 11:29:00; Autor: geerkma - Ins Englische übersetzte Version (auch als PDF), enthält die Dokument-Infos:
Erstellt am: 22.07.2009 15:53:00; Autor: werth
Geändert am: 22.07.2009 15:53:00; Autor: JosXP - Aktualisierte Version (auch als PDF), enthält die Dokument-Infos:
Erstellt am: 31.07.2009 09:05:00; Autor: eger.gudrun
Geändert am: 31.07.2009 09:05:00; Autor: westbomke.konrad
Und jetzt stellt sich noch die Frage, warum die alte Version das Datum 8.7. hat, aber laut EU die Meldung am 7.7. verschickt wurde. Vermutlich haben sie da auch schon mal ein Dokument ausgtauscht …
Streng genommen müsste die Frist aufgrund des getauschten Dokuments nun also bis November laufen. Und alles neu übersetzt werden. Auf jeden Fall ist anzunehmen, dass das Wirtschaftsministerium das Gesetz erst dann Bundespräsident Horst Köhler schickt, wenn die EU-Frist abgelaufen ist. Also nicht vor dem 7. Oktober. Das ist auch der Grund, warum es noch nicht schon jetzt in Kraft treten kann.
Was die Bundesregierung hier vorlegt ist einfach nur unglaublicher Pfusch.
Was für eine unglaubliche Sauerei!
Unabhängig von FDL und dem Zensurgesetz sollte zumindest die darunterliegende handwerkliche Arbeit ordentlich gemacht werden.
Hier sind also auch diverse StaatssekretärInnen und BeamtInnen aus den hinteren Reihen mitschuldig.
Das ist ja auch nicht das erste Mal das es bereits beim formalen Akt einer Gesetzgebung zu grenzdebiler Schlamperei/Pfusch kommt - leider auch kein Monopol der großen Koalition :-(
Mehr Transparenz!
Gibt es bei dem gesammten Gesetzgebungsverfahren überhaupt irgendeinen Fehler, den man vermeiden konnte (erfolgreiche PR Arbeit ausgenommen)?
Es wäre langsam mal an der Zeit zurück zu treten.
Wenigstens haben wir jetzt ein konsequentes negativ Musterbeispiel für die Jura Studenten.
Das nennt man nicht Pfusch. Zumindest nicht, wenn der kleine Bürger dies macht. Dann heißt es strafrechtskonform "Urkundenfälschung".
Die Implementierung der Netzsperre führt zu einer Kriminalisierung des einfachen Bürgers, der auf seine
Privatsphäre nicht verzichtet und sich diverser Software zur
Umschiffung bedient.
Nicht jedoch führt sie zu einer Verhinderung von Straftaten.
Die jetzt noch öffentlich klar ersichtlichen radikalen Untergrund Seiten kehren zu den alten BlackBox-Verfahren
zurück und damit erschwert sich jegliche Ermittlung ungemein.
Es ist auch davon auszugehen das aufgrund der niedrigen Aktzeptanz des vorliegenden Gesetzes, sich eine wahre Fülle
von alternativen Zugriffen etabliert der wieder nur mit hohen
Strafen und Freiheitsberaubung entgegengewirkt werden kann.
Thorsten F. M. Müller
Vielen ank für diese nochmalige Zusammenfassung. Ich hatte nach den entsprechenden Hinweisen aus dem Bundespräsidialamt ohnehin vor, mich an die Kommission zu wenden und werde dort auch eine Stellungnahme zu diesen Vorgängen erbitten.
Viele Grüsse
Jörg Tauss, MdB
Es ist doch ganz einfach:
- ich habe ein Gesetz, das sich gut für den Wahlkampf eignet
- es interessiert mich nicht was Kritiker sagen
- ich kann den Bundesrat dazu bringen sich nicht wirklich damit zu beschäftigen und es abzunicken
- ich weiß, dass der Bundespräsident sich nicht über Kritiker und Bürger hinwegsetzen kann
- ich muss dem Michl auf der Strasse das Gefühl geben, ich tu was => Wahlkampf
- das Gesetz darf mir erst nach der BTW um die Ohren fliegen
was mache ich also?
...
[ironie]Juhu!! [/ironie]
Deutschland wird zum Schurkenstaat der sich nichtmehr an Gesetze halten muss...
Bei den ganzen Fehlern habe ich das Gefühl, das die Leute im Hintergrund sich auffällig passiv bis destruktiv verhalten.
Man kann von einem Politiker nicht erwarten über alle Details und Ausnahmen eines Gesetzgebungsverfahren Bescheid zu wissen. Dafür haben sie ihre Assistenten und Leute, die so etwas wissen. Wenn die sich aber Passiv verhalten (niemand hat gefragt, ob hier die EU ein Mitspracherecht hat) und Fehler zu lassen (dem Zuständigen hätte sicherlich auffallen können das das Dokument veraltet war) dann kommt so was dabei heraus.
Für mich spricht das Bände über die regierungs- und verwaltungsinterne Unterstützung des Gesetzes. :-)
Ich befürchte ehrlich gesagt, dass das nicht mal gewollt war, sondern auf Unfähigkeit der Ministerien zurückzuführen ist...
Wäre nicht das erste mal. Ist es denn anders, ist es eine Dreistigkeit sondergleichen. Wobei das natürlich wohl eher wieder nicht an die breite Öffentlichkeit kommen wird...
Naja, falls Herr Tauss mit dem Nachfragen bei der Kommission Erfolg hat kommt es vielleicht ja doch an die Öffentlichkeit...