Juni 2009 Archive

Und: Gesetzesentwurf hält sich nicht an Vorgaben des SPD-Parteivorstands.

Nach einer mir vorliegenden Analyse des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages darf das BKA an ausländische Provider Abuse-Mails schreiben.

Eine wichtige Begründung für Internet-Sperren war ja bisher: das BKA dürfe aufgrund der Souveränität der Staaten keine ausländischen Provider anschreiben. Die Hausjuristen des Bundestages sehen das in ihrer Zusammenfassung so:

Solange eine Email des BKA nur eine Benachrichtigung an den Host-Provider darstellt, und diesen auf inkriminierte Inhalte auf seinem Server hinweist, wird das BKA nicht hoheitlich tätig, da es dem Host-Provider kein Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreibt, sondern diesen lediglich informiert. Solche rein informativen Emails des BKA an außereuropäische Host-Provider wären demnach zulässig. Unzulässig wären hingegen derartige Emails durch das BKA an Host-Provider, die diesem eine Löschung der inkriminierten Inhalte vorschreiben würden.

 

Ein freundlicher Hinweis wäre demnach erlaubt, nur keine Aufforderung oder ähnliches.

Genauer sagt es der Haupt-Text:

Solange eine Email des BKA nur eine Benachrichtigung an den Host-Provider darstellt,  die diesen auf inkriminierte Inhalte auf seinem Server aufmerksam macht, wird das  BKA nicht hoheitlich tätig, da es dem Host-Provider kein Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreibt, sondern diesen lediglich informiert.

 

SPD-Anforderungen nicht erfüllt

Ansonsten ist ja nun der Gesetzesentwurf da. In einigen Punkten ist er unsauber bzw. entspricht nicht den Anforderungen der SPD.

So forderte der Parteivorstand der SPD ein strenges Subsidaritätsprinzip, also ganz streng: „Löschen vor Sperren“. Davon kann beim vorliegenden Gesetzesentwurf nicht die Rede sein. Denn dort heisst es:

(2) Die Aufnahme in die Sperrliste erfolgt nur, soweit zulässige Maßnahmen, die auf die Löschung des Telemedienangebots abzielen, nicht oder nicht in angemessener Zeit erfolgversprechend sind.

Was nicht erfolgversprechend ist bestimmt das BKA. Und deren Kompetenz konnten wir in der Hinsicht ja die letzten Wochen gut beobachten. 

Innerhalb der EU sollen vor dem Sperren Konsultationen stattfinden, bei den anderen Staaten ...

[...] darf das Telemedienangebot sofort in die Sperrliste aufgenommen werden, wenn nach Einschätzung des Bundeskriminalamts davon auszugehen ist, dass in dem betroffenen Staat andere Maßnahmen, insbesondere Mitteilungen an die für den polizeilichen Informationsaustausch zuständigen Stellen, nicht oder nicht in angemessener Zeit zu einer Löschung des Telemedienangebots führen.

Na dann bin ich mal gespannt, bei welchen Staaten das BKA davon ausgeht, dass die nicht schnell genug reagieren.

 

Interessant ist aber auch, was das Überwachungsgremium darf. Letztendlich nicht viel. Mindestens die Hälfte der fünf Personen müssen aus Volljuristen sein, und diese dürfen dann die Listen durchschauen. Ich bezweifle stark, dass das zu auch nur irgendeinem sinnvollem Ergebnis führen wird. Spannender wird es bei dem, was das Gremium nicht darf: es darf zum Beispiel nicht überwachen ob das BKA das „Löschen vor Sperren“ überhaupt durchgeführt hat. Auch das war eine Forderung des SPD-Parteivorstands.

 

Gestern Abend haben sich SPD und CDU/CSU auf den folgenden Gesetzesentwurf geeinigt. Der soll am Donnerstag verabschiedet werden.

sperr-gesetz-aenderungen.pdf

 

Zur Erinnerung: Für den Donnerstag Nachmittag haben wir eine Einladung im Familienministerium, um dort unsere Bedenken vortragen zu dürfen. Vom Familienministerium wurden alle Gesprächs-Versuche zuvor abgelehnt ...

 

Heute wurde die Antwort der Bundesregierung (PDF, 1 MB) auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion bezüglich Internet-Sperren verschickt.

Klar wird aus der Antwort: Die Bundesregierung ist ahnungslos bis zum abwinken, will aber dennoch ein Internet-Sperr-Gesetz. Ich schwanke zwischen Trauer und Wut.

 

Ein paar Highlights:

 

Frage: In welchen Ländern steht Kinderpornographie bislang nicht unter Strafe?

Antwort: Dazu liegen der Bundesregierung keine gesicherten Kenntnisse im Sinne rechtsvergleichender Studien vor. [...]

 

Frage: Wie viele Server [...] stehen in Ländern, in denen Kinderpornographie nicht unter Strafe steht?

Antwort: [...] [Die Bundesregierung] hat keine Informationen über Serverstandorte in solchen Ländern.[...]

 

Frage: Über welche wissenschaftlichen Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Verbreitung von Kinderpornographie [...]

Antwort: Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse. [...]

 

Frage: In welchem Umfang plant die Bundesregierung die vergabe einer wissenschaftlichen Studie über das Ausmaß und die Wege der Verbreitung von Kinderpornographie im Internet und Wege zur Effektiven Bekämpfung solcher Inhalte?

Antwort: Die Bundesregierung plant derzeit nicht die Vergabe einer wissenschaftlichen Studie. [...]

 

Frage: Welche Sperrlisten anderer Länder hat die Bundesregierung untersucht?

Antwort: Die Bundesregierung hat keine Sperrlisten untersucht. [...]

 

Frage: Auf welche Datengrundage stützt sich die Bundesregierung bei der Einschätzung des kommerziellen Marktes für Kinderpornographie in Deutschland?

Antwort: die Bundesregierung verfügt über keine detaillierte Einschätzung des kommerziellen Marktes für Kinderporngraphie in Deutschland. [...]


Frage: Wie Hoch schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, dass Anbieter und Interessenten von Kinderpornographie die Sperren für sich ausnutzen, um zu ermitteln, ob sie sich bereits im Fokus von Ermittlungen befinden? [...]

Antwort: Die Bundesregierung sieht hierin keine Gefahr. [...] [Anmerkung: sprich: technischer Sachverstand: Null.]

 

Und so weiter ...

 

2009-06-11-anfrage-sperren.pdf

 

PS: Warum Internet-Sperren nutzlos aber gefährlich sind steht auf der Website des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zenur (AK Zensur).

 

Aktuelle Kommentare

  • Timo: Hier ein interessanter Artikel über die SCHUFA und was sie weiter lesen
  • Pa: If your government (or company or school) blocks youtube site, weiter lesen
  • Egal: Noch ein Leak: Der Alvar hat auch ein Gutachten zur weiter lesen
  • Alvar: Zur Info: Nebenan habe ich unter http://blog.alvar-freude.de/2014/01/gutachten-vorratsdatenspeicherung.html ein technisches Gutachten weiter lesen
  • Robert L.: Ich finde das mit den rechtlichen Rahmenbedingungen gar nicht so weiter lesen
  • Anonym: ...genauer gesagt, war die auskunft der bahncard-kreditkarten-hotline, dass der verfügungsrahmen weiter lesen
  • tatata: die information stammt aus zwei telefonaten mit der commerzbank. ich weiter lesen
  • Alvar Freude: Hast Du nähere Infos darüber, dass die Bahn die Entscheidungen weiter lesen
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