Oder: glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.
Die wohl größte Angst von Urhebern aller Art vor dem Internet ist, dass sie aufgrund von Tauschbörsen, Privatkopie und massenhaft vorhandenen Inhlten nichts mehr verdienen können.
Aber: ist diese Angst berechtigt? Ich weiß es nicht wirklich, niemand weiß es wirklich, daher kursieren immer wieder die verrücktesten Vermutungen. Es gibt aber Zahlen der Umsatzentwicklung der letzten Jahre. In der Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft hat die Mehrheit einige Zahlen ausgewählt, die dargestellt werden: Umsatzentwicklung im Bereich Musik, Musikdownloads aus Tauschbörsen etc. und wie viele Personen denn in diesen Musik herunter geladen haben.
Diese Zahlen sind aber nur ein kleiner Teil der Wahrheit:
Denn es gibt auch Zahlen über die Umsatzzahlen im Filmmarkt, die Absatzzahlen der Musikindustrie in Stück und die Aufteilung auf verschiedene Datenträger. Und siehe da: diese Zahlen sehen ganz anders aus. Daher habe ich ein Sondervotum eingereicht, das diese Zahlen auch aufführt, da ich denke, dass man die Wahrheit möglichst breit und nicht selektiv darstellen sollte.
Im Zwischenbericht Urheberrecht (PDF) finden sich die von der Mehrheit der Kommission gewünschten Zahlen auf Seite 58ff. Mein Sondervotum mit ergänzenden Zahlen auf Seite 87ff.
Die Grafiken dazu hier noch in Farbe, mit ein paar Erläuterungen, für eine Großansicht lassen sie sich anklicken.
Hier sieht man, dass der Kino-Umsatz schwankend auf ähnlichem Niveau bleibt, aber der Video-Markt anfang des vergangenen Jahrzehnts sehr stark gestiegen ist und seitdem auf hohem Niveau verbleibt. Im gleichen Zeitraum ist der Absatz (und Umsatz) der Musikindustrie gesunken. Man könnte also sagen: Es hat vor allem eine Verschiebung stattgefunden.
Auch innerhalb der Musikbranche ist eine breite Verschiebung zu beobachten: Der Verkauf von CD-Singles ist sehr stark zurückgegangen, dafür der Online-Verkauf gestiegen. Und online werden vor allem einzelne Lieder gekauft, weniger ganze Alben („Bundles“) – das war bei der CD und Schallplatte noch anders.
Im Video-Bereich spielen VHS-Kassetten seit sieben Jahren keine Rolle mehr, DVDs und Blu-Ray konnten das beim Verleih nicht ganz auffangen – dafür stieg zwischen 2000 und 2004 der Verkauf dramatisch an.
Alle zusammen mit genauen Zahlen im PDF: Umsatzzahlen-Farbe.pdf oder im Zwischenbericht der Projektgruppe Urheberrecht (Mehrheitsvotum ab Seite 58, Sondervotum ab Seite 87).
Man sieht also: je nach Auswahl des Zahlenmaterials kann man eine unterschiedliche Wirkung erziehlen. Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast! Dabei unterstelle ich den Kollegen in der Enquête keineswegs, Zahlen verfälscht zu haben (ich war zu der Zeit nicht in der Projektgruppe, da ich mit den anderen dreien genug zu tun hatte; und es ist auch immer eine Frage der Mehrheitsverhältnisse, was aufgenommen wird). Es liegt wohl eher daran, dass bei der Auswahl der Zahlen nur eine Quelle zur Verfügung stand, die von irgendwem entsprechend ausgewählt wurde …
Weitere Zahlen gibt es bei Mediendaten Südwest.
Also, schadet das Internet den Urhebern? Das kann man aus den Zahlen nicht wirklich als generelles Mantra herauslesen. Klar ist allerdings, dass es für diejenigen, die nicht rechtzeitig tragfähige und kundenfreundliche Geschäftsmodelle entwickelt haben schwer wurde: für die Musikindustrie.
Interessant - heute scheinen noch ungefähr so viele Singles verkauft zu werden wie vor zwei Jahren Kassetten. Damit sind die Single-Charts im Radio ungefähr so aussagekräftig, wie wenn man Kassetten-Charts machen würde.
Hat auf die Single-Charts der Online-Handel keinen Einfluss?
Keine Ahnung :) Es gibt ja auch separate iTunes-Charts, keine Ahnung ob die in die Single-Charts auch einfliessen...
Hier handelt es sich nur um Transaktionen mit "Endverbrauchern" so wie ich das sehe? Was ist mit Einnahmen aus Lizenzvergabe? Und warum Umsatz und nicht Gewinn?
Ja.
Dazu habe ich keine Zahlen gefunden, wäre aber durchaus auch interessant!
Vermutlich wollen die Rechteinhaber das nicht wirklich rausrücken, bzw. die Berechnung dürfte noch schwerer sein.
Die werden nicht nur anhand der Single-Charts berechnet; auch die Online-Verkäufe fließen mit ein, meines Wissens auch Airplay.
Dennoch kann man teilweise schon mit wenigen Verläufen in die Top 100 kommen, vgl. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,538302,00.html oder http://www.stern.de/kultur/musik/chart-manipulation-hat-sich-gracia-ihr-grand-prix-ticket-erschummelt-538910.html
Was hier noch fehlt, ist die Spieleindustrie, die in den letzten zehn Jahren ja förmlich explodiert ist und die ich als direkte Konkurrenz zur Musik- und Filmindustrie sehe.
Mit Zahlen kann ich leider nicht dienen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Leute, entgegen aller Behauptungen der Industrie, insgesamt mehr Geld für Unterhaltungsmedien ausgeben, als noch vor zehn Jahren, als Filesharing praktisch nicht existent war.