Die KJM ist viel gefährlicher, als es Zensursula je war

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Wer wissen will, was die aktuell geplanten Änderungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages bedeuten, der sollte sich mal den „Dritten Bericht“ der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) anschauen:

Ab Seite 41 geht es um Sperrungsverfügungen gegen Access-Provider (»Access-Blocking«)

Ausschnitt aus Seite 42 (Hervorhebungen von mir):

Ein erstes Gespräch der KJM mit FSM und eco dazu fand am 23. Oktober 2008 in München statt. Access-Provider selbst waren nicht anwesend, aber über ihre Verbände FSM, eco sowie Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) und Bundesverband digitale Wirtschaft e.V. (BVDW) vertreten. Der KJM-Vorsitzende machte in dem Gespräch nochmals die Erwartung der KJM deutlich, dass deutsche Access-Provider bestimmte unzulässige und jugendgefährdende Inhalte im Sinne des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags freiwillig sperren sollen. Eine Zusage der Access-Provider hierzu konnte in dem Gespräch allerdings nicht erzielt werden. Stattdessen boten die anwesenden Medienverbände an, der KJM andere Lösungsvorschläge der Access-Provider zu übermitteln, die von der KJM noch genauer geprüft werden sollten. Die KJM sprach sich für eine Fortführung des Dialogs aus, machte aber deutlich, dass sie – sollten die Gespräche scheitern – von der Maßnahme der Sperrverfügungen, die im JMStV ausdrücklich vorgesehen und in den erwähnten Gutachten trotz Schwierigkeiten in der Praxis auch grundsätzlich als Möglichkeit bestätigt worden ist, Gebrauch machen werde. Zudem will sich die KJM für Gesetzesverschärfungen einsetzen, die die Access-Provider zukünftig stärker in die Pflicht nehmen.

Ein zweites Gespräch – zur selben Thematik und in ähnlicher Teilnehmerzusammenstellung – fand am 6. Februar 2009 in München statt. Das Gespräch diente zum einen dem Austausch der Sichtweisen und Erfahrungen betreffend die Initiative der Bundesregierung zur Sperrung von Kinderpornografie (vgl. unten). Zum anderen erwartete die KJM aber auch Fortschritte im Bereich ihrer eigenen Zuständigkeit, also Lösungsvorschläge für das freiwillige Sperren bestimmter unzulässiger und jugendgefährdender Inhalte nach dem JMStV seitens der Access-Provider. Die FSM und ihre Mitgliedsverbände eco, BITKOM und BVDW bekräftigten jedoch ihre diesbezügliche ablehnende Haltung und erteilten freiwilligen Sperrungen der Access-Provider zu Inhalten au- ßerhalb von Kinderpornografie – nicht zuletzt aus Haftungsgründen – nochmals eine deutliche Absage. Der KJM-Vorsitzende kündigte daraufhin an, dass die KJM prüfen werde, ob exemplarisch einzelne Sperrungsverfügungen erlassen werden, wenn die FSM und ihre Mitglieder nicht schriftlich Lösungsvorschläge zu effektiven freiwilligen Maßnahmen vorlegen würden. Ziel dieser exemplarischen Einzel-Sperrverfügungen sei dabei insbesondere, die Notwendigkeit für Gesetzesänderungen und -verschärfungen aufzuzeigen (etwa eine gesetzliche Sperrpflicht für Access-Provider auf Basis des effektiveren Prinzips der listenbasierten Sperrung). Die FSM und die anwesenden Verbände machten deutlich, dass auch sie im Sinne einer höheren Rechtssicherheit eine Gesetzesänderung befürworten würden.

 

Die fünf Thesen ab Seite 54 sind auch interessant, das übliche Gerede vom angeblich rechtsfreien Raum:

Das Internet darf im Jugendschutz – und auch ganz grundsätzlich – kein rechtsfreier Raum sein.

[...]

Beispiel Entwicklungsbeeinträchtigung

Im Fernsehen stellen Inhalte, die die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beeinträchtigen können – die sie ängstigen, überfordern oder ihnen problematische Wertvorstellungen vermitteln können –, den Schwerpunkt der Jugendschutz-Problematik dar. Es stehen Sendungen wie »Deutschland sucht den Superstar« oder problematische Trailer im Schwerpunkt, und es geht um die Frage, für welche Altersgruppe bestimmte Inhalte zumutbar sind. Entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte gibt es aber auch im Internet zuhauf. Die KJM hat in ihren Internet-Prüfverfahren zunächst den Schwerpunkt auf schwere Verstöße wie Pornografie, Posendarstellungen Minderjähriger oder rechtsextreme Inhalte gelegt. Seit einiger Zeit werden aber verstärkt auch Internetseiten in Bezug auf Entwicklungsbeeinträchtigung geprüft und beanstandet und so ein Bewusstsein für diese Problematik im Internet angestoßen.

Sprich: Zunächst hatten sie mit den Porno-Leuten genug zu tun. Nun kommt der Rest. Stück für Stück.

 

Und wenn man sich dann mal anschaut, was in der Praxis jugendschutz.net als schwer jugendgefährdend ansieht (also für unter 18-jährige nicht zugänglich sein darf), dann kann man sich vorstellen, worauf das hinausläuft.

Im Anhang (Seite 70) ist auch erklärt, was für die KJM als „Entwicklungsbeeinträchtigend“ gilt (Hervorhebungen von mir):

Entwicklungsbeeinträchtigung (§ 5 Abs. 1 JMStV)

Die Formulierungen im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stellen den Bezug zum Recht von Kindern und Jugendlichen auf Erziehung (§ 1 Abs. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch) und den Kinderrechten insgesamt her. Dabei werden eine individuelle (Eigenverantwortlichkeit) und eine soziale (Gemeinschaftsfähigkeit) Komponente angesprochen. Dies präzisiert die bisherige Formulierung (Beeinträchtigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls von Kindern und Jugendlichen) dahingehend, dass – wie eigentlich bisher auch schon – nicht nur die Unversehrtheit des Individuums, sondern die Persönlichkeit mit ihrem Sozialbezug insgesamt zu beachten ist. Die Beeinträchtigung der Erziehung ist einzubeziehen.

Die Beurteilung der Beeinträchtigung hat an den schwächeren und noch nicht so entwickelten Mitgliedern der Altersgruppe zu erfolgen. Die mögliche Wirkung auf bereits gefährdungsgeneigte Kinder und Jugendliche ist angemessen zu berücksichtigen.

Es ist nicht erforderlich, die Beeinträchtigung im Einzelnen nachzuweisen; es reicht bereits die Eignung eines Angebots zur Entwicklungsbeeinträchtigung einer bestimmten Altersgruppe dafür aus, dass die entsprechenden Restriktionen zu beachten sind.

 

These 3 ist passend dazu dann:

Entwicklungsbeeinträchtigung ist kein Kavaliersdelikt

§ 5 JMStV regelt die Verbreitung von Angeboten, die zwar nicht unzulässig sind, aber die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen bestimmter Altersgruppen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beeinträchtigen können und demnach nur eingeschränkt verbreitet werden dürfen. Mit dem JMStV wurde hier nun ein übergreifender Rechtsrahmen geschaffen: Im Rundfunk dürfen entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte für bestimmte Altersgruppen nur bei Einhaltung von bestimmten Sendezeitgrenzen verbreitet werden. In Telemedien müssen bei Verbreitung von entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten vom Anbieter technische Mittel vorgeschaltet oder die Inhalte für ein Jugendschutzprogramm programmiert werden.

Grundsätzlich wird die Beurteilung von entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten sowohl im Rundfunk als auch in den Telemedien schwieriger, da die »klassischen« Bewertungskriterien der für den Jugendmedienschutz inhaltlich relevanten Dimensionen wie Sexualität, Gewalt oder sozial-ethischer Desorientierung, die auch in den »Kriterien für die Aufsicht im Rundfunk und in den Telemedien« der KJM festgeschrieben sind, für eine Argumentation bezüglich der Wirkungsrisiken häufig nicht mehr ausreichend scheinen. Die Bandbreite an jugendschutzrelevanten Inhalten hat zugenommen und umfasst neben Gewaltdarstellungen und sexuellen Inhalten sogenannte Pro-Ana-Seiten, Sauf- bzw. Selbstmord-Foren oder problematische Kommunikationsmöglichkeiten in Social Communities, um nur einen kleinen Ausschnitt der Themenschwerpunkte zu nennen. Neue technische Gegebenheiten, die Inhalt wiederum neu definieren und/oder in einen anderen Zusammenhang stellen, müssen hier ebenfalls Beachtung finden.

[…]

Parallel zu dieser Entwicklung steigt das Interesse von kommerziellen Anbietern an der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen. Heranwachsende verfolgen vielfältige Interessen im Internet und haben durchaus beachtenswerte finanzielle Mittel. Somit entstehen immer mehr kinder- und jugendaffine Inhalte, die zum Teil für bestimmte Altersgruppen nicht geeignet sind. Auch Jugendliche selbst stellen über die vielfältigen technischen Möglichkeiten – die immer einfacher zu handhaben sind und immer günstiger zur Verfügung stehen – Inhalte ins Netz, die nicht unbedingt den gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen entsprechen.

[…]

Eine wesentliche Verbesserung des Jugendschutzes im globalen Medium Internet kann effektiv nur im Zusammenwirken von Aufsicht, Selbstkontrolle und Anbietern gemäß ihren jeweiligen Aufgaben und durch die Kombination verschiedener Maßnahmen, wie der Etablierung technischer Zugangskontrollen, der Entwicklung internationaler Standards oder der Selbstverpflichtung von Anbietern, die über gesetzliche Bestimmungen hinaus gehen, erzielt werden. 

 

Die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages und die KJM sind viel gefährlicher, als es Zensursula je war. Der JMStV-Entwurf muss vom Tisch, wir brauchen insgesamt ein Umdenken beim Jugendmedienschutz. 

Ursula von der Leyen wollte Wahlkampf betreiben. Sie machte eine öffentliche Show daraus. Wolf-Dieter Ring und die KJM wollen ihre Moralvorstellungen durchdrücken. Sie handeln unter Zuarbeitung der jugendschutz.net GmbH still und leise. Schrittweise, unauffällig. Langsam und stückweise.

 

(Update, 18. Februar: Hervorhebungen; Typo)

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RT @alvar_f Die #KJM ist viel gefährlicher, als es #Zensursula je war http://bit.ly/ahoXT9 #JMStV #accessblocking #internetsperren Mehr

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RD @alvar_f Die KJM ist viel gefährlicher, als es #Zensursula je war. http://bit.ly/ahoXT9 #JMStV #KJM #accessblocking #internetsperren Mehr

Was ist die Meinung der Provider zum JMStV? von Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) zu 22.04.10 14:03

Nach der Ministerpräsidentenkonferenz vom 25. März ist es um den Entwurf zur Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) still geworden. Eine offizielle Veröffentlichung der aktuellen Version hat nicht stattgefunden und auf Seiten der Pr... Mehr

Heute morgen fiel mir ja über die Seite zivilschein ein Kommentar auf, den ich auch  im Blog Eintrag zu den Bundesverdienstkreuzen schon verlinkt hatte. Hier möchte ich nun den Originallink zu dem Kommentar bringen, denn dieser Beitrag ist es wahrlich ... Mehr

13 Kommentare

Vieles aus dem Zitierten ist seit vielen Jahren Ist-Zustand. Was den neuen Staatsvertrag betrifft, so gibt es da einige Knackpunkte, insbesondere die utopische Haltung der Länder bei Jugendschutzprogrammen.

Kern des Anstoßes vieler aus der Netzgemeinde ist jedoch der veränderte Anbieterbegriff. Dieser soll aber wieder auf die alte Fassung zurückgesetzt werden, so wurde es mir von einer führenden Staatskanzlei zugesagt. Ich setze mich sehr dafür ein, dass es auch so kommt.

Ja, Sie haben Recht, vieles aus dem Zitierten ist der Ist-Zustand. Auch einiges, was am JMStV-E kritisiert wird, ist zumindest teilweise der Ist-Zustand.
Auch der alte Anbieterbegriff trifft meines Erachtens nicht den Wesensgehalt eines Access-Providers. Ich sehe ihn analog zum Anbieter des Telefonanschlusses als Telekommunikationsanbieter, nicht als Anbieter irgendwelcher Inhalte. Das wäre durchaus ein wichtiger Punkt, der im JMStV aber auch im TMG korrigiert werden sollte.

Ansonsten hat Thomas Stadler einige gute Punkte aufgeführt:
http://www.internet-law.de/2010/02/der-jugendmedienschutz-muss-generell.html

Die rechtliche Trennung von Internet und Rundfunk ist da sicherlich einer der Kernpunkte. Sonst haben wir immer wieder die gleiche Diskussion.

Es wäre sicherlich auch nicht verkehrt, sich überhaupt grundlegend darüber Gedanken zu machen, wie Jugendschutz im Internet aussehen sollte. Eine gute Lösung ist da leider alles andere als trivial …

Die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages und die KJM sind viel gefährlicher, als es Zensursula je war. Der JMStV-Entwurf muss vom Tisch, wir brauchen insgesamt ein Umdenken beim Jugendmedienschutz.

Wohin denn?

Die Lösung ist ganz einfach. Der Jugenschutz muss vor dem Rechner stattfinden und nicht auf dem Weg dahin, da dies nur durch Zensur stattfinden kann und sobald z.B. T-Home dafür die Verantwortung zu tragen hat was durch die Leitung kommt werden die aus Sicherheitsgründen erst mal alles aus dem Ausland sperren was nicht gerade den Status einer BBC hat. Es ist ja schon schlimm genug das im Pay eine (an sich auf freiwilliger Basis Sinnvolle Funktion) Jugendschutzpin existiert die ständig nervt und auch nicht deaktiviert werden kann wenn sich in dem Haushalt weit und breit kein Kind aufhält.

Schöne Idee! Ehrlich!
Es müsste dazu möglich sein, alle Erziehungsberechtigten (und das heißt in diesem Fall nicht nur Eltern) in die Lage zu versetzen, einen selbstbestimmten Umgang mit dem Netz zu versetzen. Und das trotz der Umstände, dass sich Jugendliche per Entwicklungsstand von denen abgrenzen wollen und, dass die Erziehenden momentan selbst keine Ahnung von der Materie verspüren (und sich nebenbei noch um den selbstbestimmten Umgang der Jugendlichen mit dem eigenen Körper, also Sport und Ernährung und der Umwelt und so weiter kümmern müssen und das auch nur in dem Fall, dass intelektuelle Fähigkeit und finanzielles Auskommen dazu Gelegenheit lassen).

Wirklich: ich wäre glücklich, wenn das in der Geschwindigkeit gelänge, in der das im Rahmen der technischen Entwicklung notwendig wäre.
Alle Bestrebungen dahin sind unterstützenswert.
Nur: wieviel Kinder sollen so lang in den Brunnen Fallen?
Andersherum: wäre ein Umdenken nicht in dem Sinne sinnvoll, dass die Jugendschutzbehörden der innerfamiliären Prävention vorschub leisten und dazu mit mehr Mitteln ausgestattet werden?
Aber wenn ja: sollten die Mittel nicht auch von den Verursachern herangezogen werden?
Ich weiß: Die Anbieter so viel Geld schon in den Jugendschutz. Aber die bösen OLJ, die im Gegensatz dazu lächerliche Mittel haben, sollen eine solche Maßnahme stemmen und schnell mal alle Eltern, Lehrer usw. schulen ...

"Nur: wieviel Kinder sollen so lang in den Brunnen Fallen?"

Was heisst denn eigentlich "in den Brunnen fallen"? Was passiert denn, wenn ein ansonsten von seinen Eltern wohlbehütetes Kind mal ein bisschen Porno, Horror oder Extremismus sieht? Richtig: gar nichts.

Das ganze Problem ist nicht die Verfügbarkeit von Inhalten, sondern der Mangel an Anleitung zur Bewertung dieser Inhalte. Und diese Anleitung muss von den Erziehungsberechtigten und den Schulen etc. kommen, nicht in Form der Bevormundung aller Bürger durch ein paar fundamentalistische Leutebeschützer.

Nächste große JMSTV-Schweinerei: “Kontrollzugang”.

Die Kommision für JUgendschutz ((KJM)) darf von jedem Blogger alle Zugangsdaten verlangen, wegen Kontrolle vom Jugendschutz.

Steht so in Paragraph 21 vom JMSTV:
http://artikel5.de/gesetze/jmstv.html#p21

"Die Kommision für JUgendschutz ((KJM)) darf von jedem Blogger alle Zugangsdaten verlangen, wegen Kontrolle vom Jugendschutz."

Ich verstehe das etwas anders:
Die KJM darf Zugang (nicht administrativen) zu kostenpflichtigen Diensten erhalten und dies unentgeltlich.
Liege ich richtig? Oder ist es doch schlimmer?

@GH1234, genau. Sie sichern sich das Recht, in allen Diensten Zugriff auf alle Inhalte usw. zugreifen zu dürfen.
Es ist wohl in der Praxis schon vorgekommen, dass die jugendschutz.net GmbH kostenlosen Zugang zu kostenpflichtigen Porno-Websites haben wollte.

http://www.jaginforum.de/taegliches-blah/47866-kostenlose-pornos-fuer-jugendschutz-net.html

Siehe auch die Kommentare dort.

Völlig richtig!
Nur: wie stellen wir diesen m.E. leider noch in sehr utopischer Ferne liegenden Zustand her?

s.o. ?

Oder stehen dann auf der anderen Seite einfach repressive Erziehungsmaßnahmen? Maßnahmen in denen in eine Erziehungsfreiheit der Eltern intensiv eingegriffen werden muss, weil die nicht mal spontan in der Lage sind, ihr Kind in einen Zustand zu versetzen, der uns allen die Freiheit des Internets sichert?

"Nur: wieviel Kinder sollen so lang in den Brunnen Fallen?"

zu diesem Zitat und ähnlichen repressiven, weit verbreiteten Meinungen passend ein wissenschaftlicher Vortrag (über eine Metastudie, 01/2000) über Zusammenhänge zwischen Pornografie, Schutz von Minderjährigen und Gewalt/Verbrechen, die immer wieder von bestimmten Kreisen unisono behauptet, aber nie bewiesen, nicht mal durch Indizien gestützt werden (statt dessen eigentlich von "Phantasien" der Behaupter "erzeugt"):

http://www.scireview.de/vortrag/index.html

Und genau die Auffassung dieses Artikels teile ich ebenfalls, und zwar aufgrund
- meiner Erfahrungen mit mir und anderen Menschen
- eigenem rationalem Nachdenken (aka Reflexion)
- nachdenklichem Studium der menschlichen Geschichte

Ich komme zum Ergebnis, daß genau die sexuelle Repression aka Jugendschutz eher erst die Probleme erzeugt, die dadurch zu vermeiden behauptet wird.

Grund IMO: eine (in unseren Breiten) etwa 2000-jährige (in "muslimischen Breiten" ca. 600 Jahre weniger) massiv verbreitete sexuelle Unterdrückung zwecks Kontrolle beliebiger Schäfchen, statt dessen implizite Förderung von Gewalt und derer möglichst brutaler Darstellung.

Ehrlich, ich hab mich schon als Jugendlicher gefragt (und es hat mich "gestört"), wieso eigentlich überall beliebig Gewalt zu sehen ist, jedoch kaum Sex/Liebe/Zärtlichkeit - und es stört mich heute eher mehr.


Es geht im Jugendschutz nicht darum, den Anblick von Nacktheit zu verwehren. Der Anblick von Nacktheit kann mindestens 12-Jährigen durchaus zugemutet werden.
Einen direkten Zusammenhang zwischen dem Anblick nackter Menschen und der Entwicklung der sexuellen Einstellung zu behaupten ist unsinnig oder vermessen. (Ähnlich wie dem zwischen Computerspielen und Gewalt.)
Entwicklung ist ein komplexer Prozess in dem Erziehende, insbesondere Eltern ein starker Einflussfaktor sind, der Medienkonsum in jedem Fall ein schwächerer.
Ein besserer Jugendschutz als Verbote ist tatsächlich eine vernünftige Erziehung. Allerdings ist es absolut utopisch anzunehmen, dass diese überall gewährleistet wird, bzw. werden kann. Alternativ würde sich das Problem stellen, mit welchen Mitteln wie repressiv in den Erziehungsprozess eingegriffen werden darf.
Wenn der Erziehungsprozess nun nicht funktioniert, kann die Rezeption von Medieninhalten größere Wirkung entfalten. Dies insbesondere im Sinne von Rollenvorbildern, die von Jugendlichen per Entwicklungsstand gesucht werden (was sich auch per Reflexion der eigenen Phase erkennen lässt).
Hier können problematische Rollenvorbilder problematisches Verhalten nach sich ziehen. Dies gilt nicht nur im Rahmen von Sex - bei dem z.B. Darstellungen als Vorbildhaft gelten könnten, in welchen eine Person über andere sexuell frei verfügen kann. Dies kann z.B. im Rahmen politisch extremer Darstellungen wirken, die positive Rollenvorbilder bescheren.
Nich umsonst darf der Film "Jud Süß" (Hallo Verfassungsschutz) nur mit historischer Einordnung vorgeführt werden. Hier auf perfide Art im Mantel eines Historiendramas ein Bild von Juden aufgebaut, das es zu bekämpfen gilt und ein Bild vom guten Deutschen Volk, was dies tut. Dies wird im Werk dann auch noch kaum klar ausgesprochen.
Toll wäre eine Nation voller o.g. "behüteter" Elternhäuser, bei denen sich eine negative Wirkung hiervon nicht entfalten kann. Dass diese Nation hier nicht existent ist, lässt sich auch durch eigene Beobachtung feststellen.
Zuletzt halte ich die Bemerkung, dass Juzgenschutz die Probleme erzeugt, für ähnlich eindimensional wie eine Annahme, dass genau das Betrachten eines Bildes nackter Menschen oder Menschen beim Sex eine sexuelle Fehlentwicklung auslöst.
Leider ist es so, dass sich durch Selbstreflexion gewonnene Erkenntnisse nicht immer auf andere Übertragen lassen. (Das mag auch für die von mir angeführte Erkentniss gelten, dass Mensch in der jugendphase Rollenvorbilder sucht; da sie aber Ergebnissoffener ist, sehe ich immerhin die Möglichkeit für eine hohe Wahrscheinlichkeit.)

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