„Die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ heißt es in Artikel 20 unseres Grundgesetzes.
Das Bundesinnenministerium will sich aber nicht daran halten: Mir liegt der finale Entwurf des Erlasses (PDF; 2,4 MB) vor, mit dem das BKA angewiesen wird, das Zugangserschwerungsgesetz nicht umzusetzen.
Natürlich ist dies erst einmal eine gute Nachricht: die Arbeit hat sich gelohnt, nicht nur die neue Regierungskoalition sondern die überwiegende Mehrheit der Bundestags-Mitglieder hat eingesehen, dass Internet-Blockaden oder Netzsperren im Kampf gegen die Darstellung sexuellen Missbrauchs von Kindern Unfug sind. Wir sollten uns freuen!
Leider können wir das nicht. Wie aus Koalitionskreisen zu hören ist, weigert sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mehrheitlich weiterhin ein Aufhebungsgesetz zu formulieren. Das Ergebnis ist die besagte Dienstanweisung. Dabei wäre das nicht nur die verfassungsrechtlich saubere Lösung: Eine Dienstanweisung an das BKA kann das Ministerium jederzeit rückgängig machen. Heimlich still und leise, ohne Aussprache im Bundestag, ohne Öffentlichkeit. Der Willkür der Bundesregierung, der Exekutive, ist mit einer solchen Lösung Tür und Tor geöffnet – daher gibt es in einer Demokratie die Gewaltenteilung. Das Parlament, die Legislative, macht die Gesetze. Aus diesem Grund habe ich noch eine kleine Resthoffnung, dass sich die Unionsfraktion doch noch durchringen kann, ein ordentliches Aufhebungsgesetz mitzutragen.
Vielleicht strengen die Oppositionsparteien im Bundestag aber auch eine Organklage an und zwingen so die Bundesregierung zu einer sauberen Lösung.
Der Text des Erlasses des Innenministeriums ans BKA:
- Vor diesem Hintergrund hat das Bundeskriminalamt den in § 1 Abs. 2 ZugErschwG eingeräumten Beurteilungsspielraum dahingehend zu nutzen, dass keine Aufnahme in Sperrlisten erfolgt und Zugangssperren unterbleiben. Als eine erfolgsversprechende Maßnahme in diesem Sinne bitte ich die Benachrichtigung des Staates anzusehen, in welchem die identifizierten kinderpornographischen Inhalte physikalisch vorgehalten werden. Die Benachrichtigung ist mit der nachdrücklichen Bitte um Löschung des Inhalts und um entsprechende Rückmeldung nach Löschung an das BKA zu versehen. Diese Verfahrensweise ist erforderlich, um insbesondere den betroffenen ausländischen Stellen die Möglichkeit zu geben, sich auf das Verfahren einzustellen und auf entsprechende Meldungen des Bundeskriminalamts zeitnah durch Löschung der Angebote zu reagieren. Aus diesem Grund sind weder Sperrlisten zu erstellen, noch Sperrlisten an die Internetserviceprovider zu übermitteln.
- Das unter 1. beschriebene Verfahren gilt uneingeschränkt auch für die mit den fünf großen Internetserviceprovidern abgeschlossenen Verträge. Eine Sperrlistenerstellung/Sperrlistenübermittlung auf dieser Grundlage hat zu unterbleiben. Soweit die vertraglichen Verpflichtungen nicht schon wegen des Inkrafttretens des ZugErschwG erlöschen, bitte ich die Verträge BKA-seitig unter Hinweis auf das Inkrafttreten des ZugErschwG aufzukündigen.
- Die Erarbeitung der in §10 ZugErschwG benannten technischen Richtliniebleibt ausgesetzt. Die Einleitung des Beteiligungsverfahrens der Diensteanbieter unterbleibt bis auf weiteres.
- Als kinderpornographisch identifizierte Inhalte im Internet sind zukünftig auch den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle mit dem Ziel der Löschung der Inhalte zu melden. Auch diese sind um Rückmeldung zu den weiteren auf die Benachrichtigung hin erfolgten Schritten und insbesondere zu Erkenntnissen in Bezug auf die Löschung des inkriminierten Inhalts zu bitten.
- In Bezug auf das unter 1. beschriebene weitere Vorgehen und dessen Wirksamkeit sind Erkenntnisse zu sammeln. Hierzu sind Listen über erkannte und gemeldete kinderpornographische Webseiten zu führen. Ich bitte mir monatlich zu berichten:
- Zahl der im Vormonat getätigten Unterrichtungen anderer Staaten
- Auflistung der betroffenen Staaten (wie viele Fälle pro Staat im Monat)
- Zahl der erfolgten Rückmeldungen
- Inhalt der Rückmeldungen (in wie vielen Fällen erfolgte innerhalb welcher Frist eine Löschung?)
- BKA-seitig ermittelte Erkenntnisse über den weiteren Verbleib des als kinderpornographisch identifizierten und dem betroffenen Staat gemeldeten Inhalts. Hierzu sollte ein geregeltes Verfahren eingesetzt werden, welches vorsieht, dass in festgelegten zeitlichen Abständen ermittelt wird, ob der Inhalt auch nach Benachrichtigung des betroffenen Staates weiter unter der benannten Adresse im Internet abrufbar ist (soweit möglich auch, ob der selbe Inhalt auf eine andere Adresse im Internet umgezogen wurde)
- Zahl der monatlichen Unterrichtungen der Selbstregulierungsstellen
- Zahl der Rückmeldungen hierauf und deren Inhalt
- Soweit sich aus dem unter 5. vorgegebenen Verfahren Erkenntnisse ergeben, dass in einer signifikanten Vielzahl von Fällen entweder keine Rückmeldung des benachrichtigten Staates erfolgt oder erkannt wird, dass trotz Meldung keine Maßnahmen zur Löschung der Inhalte unternommen wurden bzw. diese nicht zum Erfolg geführt haben, bitte ich um Unterrichtung unter Auflistung der erfolgten Mitteilungen und des jeweils weiteren Verlaufs (keine Rückmeldung bzw. Inhalt am xx.xx.xxxx unter der gemeldeten Adresse nach wie vor abrufbar). In diesen Fällen beabsichtige ich, BMJ bzw. AA um Unterstützung zu bitten.
Erlass-ZugErschwG.pdf (PDF, 2,4 MB)
Das ist interessant:
"2. [...]Soweit die vertraglichen Verpflichtungen nicht schon wegen des Inkrafttretens des ZugErschwG erlöschen, bitte ich die Verträge BKA-seitig unter Hinweis auf das Inkrafttreten des ZugErschwG aufzukündigen."
Mein Kenntnisstand war, dass die Verträge mit Inkrafttreten des Gesetzes_automatisch_erlöschen. Stimmt auch das nicht?
Und hier:
"5. [...] (soweit möglich auch, ob der selbe Inhalt auf eine andere Adresse im Internet umgezogen wurde)."
Wunschdenken im Inkopetenzmantel? Oder wie gedenken sie, diese Tatsache festzustellen?
Du hast recht: dieses Ding muss restlos getilgt werden.
In dieser Anweisung ist ausdrücklich festgelegt, bei KiPo-Inhalten die Staaten der Hoster zu informieren. Von einfachen Abuse-Mails an die Hoster ist nicht die Rede.
Auf diese Weise wird es natürlich ewig dauern, eine KiPo Seite zu löschen (wenn überhaupt etwas passiert). Und nach dem einen Jahr der 'Beobachtung' wird man dann wieder das Argument hervorkramen, mann könne im Ausland nix ausrichten. Diesmal mit 'gesicherten' Zahlen untermauert…
Dörmann hat bei der Anhörung eine Gesetzesinitiative für diesen Donnerstag angekündigt. SPD, FDP, Grüne und Die Linke wollen das mitmachen, hört man.
Und in der Anweisung steht
"Die Bundesregierung beabsichtigt eine Gesetzesinitiative zur Löschung kinderpornographischer
Inhalte im Internet. Bis zum Inkrafttreten dieser Regelung...Die damit gemachten Erfahrungen sollen in die Gesetzesinitiative einfließen."
Das heißt doch nur, daß es mit der Initiative der Bundesregierung noch lange dauern kann ... Pack, elendes !
Mein Lieblingssatz: "BKA-seitig ermittelte Erkenntnisse über den weiteren Verbleib des [...] gemeldeten Inhalts." -- wahrscheinlich in der Aservatenkammer. Sollte der Inhalt wieder auftauchen, wurde er dort wahrscheinlich entwendet. :-)
@Zensurgegner man will dem anderen Staat wohl Gelegenheit zu Ermittlungen geben bzw. ihn dazu zwingen. Löschen durch den Provider würde evtl. Ermittlungen verhindern weil Beweise vernichten. Sicherlich könnte man das auch anders lösen, man hat da wohl noch nicht vom Umgang der Banken mit Phishing Sites gelernt.
Ja, NUR die Richter sind eben EXPLIZIT Recht und Gesetz unterworfen, der Rest schwoert nur auf die Verfassung.
http://dasalte.ccc.de/campaigns/fahndung/CCC_-_Fahndungsplakat_v0.4_-_huge.png?language=de
Denken ist noch nicht verboten! Und NOCH kann jeder im Internet alle Informationen finden.
Demokratie ist die gesteigerte Form von Egoismus.
Denkt mal drüber nach.