Neues in der Kategorie Büssow

Die Bezirksregierung Düsseldorf bzw. Regierungspräsident Jürgen Büssow hat wie berichtet zwei Domains ausländischer Firmen beschlagnahmt. Nun hat ein Informant mir weitere Details sowie die entsprechende Anordnung (PDF, ca. 1 MB) übermittelt.

Daraus wird klar, was vorher nur vermutet werden konnte: die Bezirksregierung Düsseldorf bzw. Jürgen Büssow sieht sich als eine Art weltweite Internetpolizei und will seine Interpretation nordrhein-westfälischer Gesetze weltweit durchsetzen:

[...] die Bezirksregierung Düsseldorf [ist] für das gesamte Land Nordrhein-Westfalen zuständig für die Überwachung und Untersagung von Glücksspielen und der Werbung hierfür im Internet.

[...]

Das Glücksspiel wird auch in Nordrhein-Westfalen beworben und veranstaltet. Überall dort, wo der Spielinteressent über das Internet den Zugang zu Werbung oder zu unmittelbarer Spielteilnahme durch die Einwahl in das Netz erhält, wird der ordnungs- und strafrechtlich relevante Rechtsverstoß begangen.

Das bedeutet also konkret: Jedes Internet-Angebot der Welt muss sich an die Gesetzeslage in der deutschen Provinz halten, wenn es nicht Gefahr laufen will, geschlossen zu werden. Aber nicht nur das: Gleichzeitig muss sich jedes Internet-Angebot der Welt und jede Webseite an alle lokalen Gesetze in der ganzen Welt halten. Muss jetzt der Inhaber der Domain schweinebesamung.com eine feindliche Übernahme der Domain fürchten, sollte sein Registrar PSI-USA von einem Finanzinvestor aus Dubai oder Saudi Arabien übernommen werden? Schließlich wird bei der Schweinebesamung unverholen für Schweinefleisch Werbung gemacht. Oder muss ich um a-blast.org fürchten, weil Dragan sich über die Schweinereien der CMA lustig macht? Naja, vielleichts ist es ja auch Rind ... Oder müssen alle ausländischen Webseiten, die über einen deutschen Registrar registriert wurden, ein korrektes Impressum nach deutschem Recht aufweisen – sonst werden sie von Büssow eingezogen? Das passende Meldeformular hat er zwar nicht mehr, vielleicht wurde der Erfolg einfach nur zu groß:

Seit Inkrafttreten des Mediendienste-Staatsvertrages ist die Anzahl der Meldungen über das Meldeformular der Bezirksregierung Düsseldorf von 44 (im Jahre 2002) auf 135 (in 2003) und nun im Jahr 2004 auf über 460 Beschwerden angestiegen, ein weiterer serviceorientierter Schritt auf dem Weg zu einem transparenten Internet.

Aber nebenan bei der Landesmedienanstalt NRW findet sich ein passendes Melde-Formular.

 

Rechtsgrundlage?

Als Rechtsgrundlage nennt die Anordnung §24 Ziffer 13 Ordnungsbehördengesetz NRW in Verbindung mit § 43 Ziffer 1 und § 44 Absatz 1 Polizeigesetz NRW. Der Registrar sitzt aber in Regensburg. Mir wäre nicht bekannt, dass Regensburg nun zu Nordrhein-Werstfalen gehört.

§ 43 des Polizeigesetzes erlaubt es, eine Sache sicherzustellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Geht von einem Diskussionsforum, das von einer Firma in Spanien betrieben wird und ein paar Werbebanner für ominöse Sportwetten enthält, tatsächlich eine gegenwärtige Gefahr aus?

 

Denn das, was dem Betreiber der Webseite tippen4you.com zur Last gelegt wird sieht eher schwach aus:

Der Domaininhaber [...] wurde von mir darauf hingewiesen, dass er auf dieser Internetseite Werbung für unerlaubtes Glücksspiel, u. a. für Glücksspiele der Firmen bet365, mybet, bwin betreibt. Gleichwohl wird die Seite mit dem zu beanstandeten Inhalt weiter betrieben.

Da stellt man sich natürlich zuerst die Frage: warum geht Büssow nicht gegen diese Firmen vor? Alle haben eine .de-Domain:

  • bwin.de läuft unter der de-Domain, hat ein formal korrektes Impressum mit Anschrift in Deutschland und behauptet, eine Wettlizenz in Deutschland zu besitzen – was aber laut Wikipedia rechtlich umstritten ist. Die Behauptung der Bezirksregierung, die Webseite biete unerlaubtes Glücksspiel, ist damit allerdings ziemlich weit hergeholt. Und selbst wenn: der Anbieter ist greifbar.
  • mybet.de hat als Domaininhaber einen RA Franz Brackel in Berlin, leitet aber gleich auf eine .com-Domain weiter. Die Firma hat ihren Sitz in Malta.
  • bet365.de ist auf einen Ryszard Buks in Polen registriert, auch der Admin-C hat eine polnische Adresse – hier könnte man über die Denic sicherlich eingreifen, wenn man denn will. Denn schließlich ist ein Ansprechpartner in Deutschland nötig, aber nicht angegeben. Die Webseite leitet auch gleich auf eine .com-Domain weiter.

Insbesondere bei bet365 sieht es mir schon danach aus, als ob das Angebot nach dem geltenden deutschem Recht nicht zulässig sein könnte, aber dann ließe sich ja zumindest gegen die .de-Domain rechtlich vorgehen. Dass dies nicht gemacht wurde zeigt mir, dass offensichtlich versucht wird, die kleinen Fische anzugreifen, um so schneller zum Erfolg zu kommen.

 

Eins zeigt sich auf jeden Fall: Deutschland ist international nicht für größere Aufgaben bereit, zumindest nicht im Internet, beispielsweise bei Domains und DNS-Servern. Ein Root-Nameserver in NRW wäre einfach ein zu großes Risiko für die Infrastruktur des Netzes. Und da Büssow sich nun auch deutschlandweit zuständig fühlt, kann man nur davon abraten, dass aus Deutschland ein Root-Nameserver oder gar eine internationale Registry betrieben wird. Wenn dieses Vorgehen nicht gestoppt wird und Kleinstaaterei durch internationales Recht ersetzt wird, braucht sich die Denic nicht wieder um eine gTLD wie .net bewerben. Es kann nicht im Interesse von Icann sein, dass Provinzfürsten Rechtsunsicherheit für ausländische Firmen schaffen, auch wenn die angebotenen Inhalte noch so zweifelhaft sein sollten.

 

Der Betreiber und die Domain

Laut Archiv des Impressums wurde tippen4you.com bis November 2007 von einer Birgit Rabenbauer in Erftstadt betrieben, und ab Dezember nach Spanien an die Firma Group Di Amigo transferiert. Dies deckt sich mit der Aussage des jetzigen Betreibers, der die Domain 2007 gekauft haben will. Unter der im Impressum angegebenen Adresse residiert auch das „Radio Mi Amigo – Costa Blanca Urlaubsradio – FM 106,0“.

Nach Aussage des jetzigen Betreibers gab es von der Bezirksregierung Düsseldorf nur eine Einladung zu einer Anhörung, aber „keinerlei Aufforderungen, Androhungen oder sonstiges“.

Nach der Übernahme durch die Bezirksregierung Düsseldorf ist der Betreiber nach eigener Aussage über die Verwaltungsgerichte gegen die Bezirksregierung vorgegangen, aber auch im Eilverfahren gab es noch kein Ergebnis. Seit Juli ist die Domain weg, aber das Forum wird nun unter tippen4you.at weiterbetrieben.

Bei Bet3000 hingegen ging es wie bereits gemeldet schneller: hier übernahm die Bezirksregierung die Domain erst im Dezember, aber schon nach wenigen Tagen wurde sie auf den ursprünglichen Inhaber zurücktransferiert – nach meinen Informationen aber nur temporär bis zur Klärung der Rechtslage und ohne die Möglichkeit die Domain zu einem anderen Registrar zu ziehen.

 

Die Anordnung im Volltext

 

Aktuelle Kommentare

  • Timo: Hier ein interessanter Artikel über die SCHUFA und was sie weiter lesen
  • Pa: If your government (or company or school) blocks youtube site, weiter lesen
  • Egal: Noch ein Leak: Der Alvar hat auch ein Gutachten zur weiter lesen
  • Alvar: Zur Info: Nebenan habe ich unter http://blog.alvar-freude.de/2014/01/gutachten-vorratsdatenspeicherung.html ein technisches Gutachten weiter lesen
  • Robert L.: Ich finde das mit den rechtlichen Rahmenbedingungen gar nicht so weiter lesen
  • Anonym: ...genauer gesagt, war die auskunft der bahncard-kreditkarten-hotline, dass der verfügungsrahmen weiter lesen
  • tatata: die information stammt aus zwei telefonaten mit der commerzbank. ich weiter lesen
  • Alvar Freude: Hast Du nähere Infos darüber, dass die Bahn die Entscheidungen weiter lesen
  • tatata: das problem ist nicht die commerzbank. es ist die bahn. weiter lesen
  • Medyum: daß User auf Selbstzensur setzen, die wie Sie sicher wissen weiter lesen

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