Matthias Landwehr, Literaturagent, ist der Verantwortliche hinter der Aktion "Wir sind die Urheber". Diese habe ich hier kommentiert.
Da viele der laut schreienden „Urheber“ oder selbsternannten Freunde der Urheber i.d.R. keine konkreten Vorschläge außer diffuses „stellt Euch nicht so an wegen ein bisschen Überwachung!“ anführen, habe ich ihm mal einen Brief (Verzeihung: eine Mail!) geschickt. Ich bin gespannt was er antwortet und werde hier berichten.
Meine Mail im Wortlaut (weiter unten Update mit leicht präzisierten Fragen):
Sehr geehrter Herr Landwehr,
mein Name ist Alvar Freude und ich bin Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages.
Wir haben uns dort -- vor allem in der Projektgruppe Urheberrecht -- intensiv mit dem Urheberrecht beschäftigt, suchen aber gleichzeitig das Gespräch mit den jeweiligen Akteuren. Vor einigen Monaten hatten wir ein ausführliches Gespräch mit Vertretern des Deutschen Kulturrats. Wir hatten die Hoffnung und Erwartung, dass uns der Kulturrat ganz konkrete Vorschläge macht, mit welchen konkreten Maßnahmen er das Urheberrecht im Internet schützen und stärken will. Leider hat kein einziger Vertreter des Kulturrates entsprechende Vorschläge gemacht und trotz entsprechender Zusage bisher auch nichts nachgereicht.
Als Initiator der Aktion "Wir sind die Urheber" haben Sie sich ja sehr intensiv mit dem Urheberrecht, dem Internet und der Durchsetzung des Urheberrechts im Internet beschäftigt. Mich würde interessieren, welche derzeitigen Gefahren und Umsatzeinbrüche Sie insbesondere für Schriftsteller sehen und welche konkreten Vorstellungen, Wünsche und Anregungen Sie haben, wie das Urheberrecht im Internet durchgesetzt werden soll. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir diese nennen könnten, ebenso wie Ihr Konzept eines modernen Internets, das es den Urhebern weiterhin ermöglicht, von ihrer Arbeit leben zu können.
Über eine baldige Antwort würde ich mich sehr freuen.
Sofern Sie nichts anderes vermerken, gehe ich davon aus, dass Sie mir die Genehmigung zur Veröffentlichung Ihrer Antwort unter Nennung Ihres Namens geben.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen auch unter (01 79) 13 46 47 1 zur Verfügung.
Freundliche Grüße
Alvar C.H. Freude
Upate:
Da Herr Landwehr bisher nicht reagiert hat, habe ich ihm am Morgen des 16.5. nochmals eine Erinnerung geschickt und die Fragen ein wenig präzisiert:
Als Initiator der Aktion „Wir sind die Urheber“ haben Sie sich ja sehr intensiv mit dem Urheberrecht, dem Internet und der Durchsetzung des Urheberrechts im Internet beschäftigt. Daher habe ich einige Fragen an Sie, deren Antworten ich auch gerne veröffentlichen würde:
- Welche Gefahren und finanziellen Probleme sehen Sie derzeit durch das Internet für Autoren aufkommen und auf welche Fälle des „Diebstahls“ beziehen sich Ihre Befürchtungen?
- Welche konkreten Vorstellungen, Wünsche und Anregungen haben Sie, wie das Urheberrecht im Internet durchgesetzt werden soll?
- Was halten Sie von den folgenden Maßnahmen, die derzeit diskutiert oder praktiziert werden:
- Internet-Zugangs-Anbieter sollen den Zugang zu (ausländischen) Internet-Seiten blockieren, wenn dort Urheberrechtsverletzungen begangen werden.
- Wenn Nutzer wiederholt Urheberrechtsverletzungen begangen haben, soll deren Internet-Zugang abgeschaltet werden (analog zum Führerscheinentzug).
- Nutzer, die Urheberrechtsverletzungen begehen, sollen kostenpflichtig abgemahnt werden.
- Internet-Zugangsanbieter sollen auf Internet-Seiten, auf denen Urheberrechtsverletzungen begangen werden, Warnhinweise einblenden oder den Nutzern Verwarnungen schicken, die bei Wiederholung mit Sanktionen verbunden sind.
- Anbieter von Diensten im Internet, bei denen Nutzer Inhalte hochladen können, sollen die Nutzer eindeutig identifizieren (z.B. mittels des neuen Elektronischen Personalausweises) oder für deren Inhalte selbst verantwortlich sein.
- Anonymität im Internet sollte generell aufgehoben werden.
- Welche konkreten sonstigen Maßnahmen stellen Sie sich zur Stärkung des Urheberrechts im digitalen Zeitalter vor?
- Wie sieht Ihr Konzept eines modernen Internets aus, das es den Urhebern weiterhin ermöglicht, von ihrer Arbeit leben zu können?
Da weiterhin keine Reaktion erfolgt, werde ich einfach mal ein Fax schicken, vielleicht liest der Mensch so neumodischen Schnickschnack wie E-Mails nicht.
Na, da bin ich mal auf eine Antwort gespannt; obwohl ich die Vorahnung habe, dass der Brief (Verzeihung: die Mail!) unbeantwortet bleibt. Er wird sich ja nicht bloß stellen und zugeben, dass er sich nicht "sehr intensiv mit dem Urheberrecht, dem Internet und der Durchsetzung des Urheberrechts im Internet beschäftigt" hat ^^.
Mann, bei Google+ geht's ja rund ...
Eine derart aufgeladene Debatte gab's ja selbst bei der Vorratsdatenspeicherung kaum. Jeder hat eine Meinung und findet irgendwas sollte so oder anders sein :) Jeder ASP.NET-Entwickler hält sich jetzt für einen Künstler, und Leute, die "Das Schwarze Auge"-Fanfiction schreiben vergleichen sich mit Literaten, deswegen können alle aus ihrer eigenen Erfahrung zur Diskussion beitragen! Außerdem scheint immer noch die Vorstellung zu herrschen, dass jeder, dessen Gesicht im Fernsehen zu sehen oder dessen Name in der Zeitung zu lesen ist, automatisch von irgendwoher Geld überwiesen bekommt, und deswegen werden Kindergärten geschlossen und alle hören nur noch Musik von "Dieter Bohlen".
Auf der anderen Seite melden sich große Verbände zu Wort, die nach irgendwelchen Kriterien Geld eintreiben und verteilen, doch anstatt sinnvoll aufzuklären oder sich auf Augenhöhe in den Moshpit der "sozialen Medien" zu stürzen geben sie in ihren herablassenden Pamphleten nur Preis, dass sie ihre eigene Aufgabe und/oder das geltende Recht nicht verstehen und zudem nur emotional argumentieren können.
Also so kann man das glaube ich nicht regeln. :)
Na hoffentlich kommt jetzt nicht der Vorschlag, eine zusätzlich Urheberrechtsschutzabgabe, ähnlich der GEZ-Gebühren, auf die Nutzung des Internets zu erheben.
Aber auf die Antwort bin ich auch gespannt
+Dragan
Warum sollte ein Fanfictionschreiber kein Literat sein? Wer bestimmt das? Ich zumindest finde das Schwarze Auge relevanter als das Meinste was die üblichen Literaturkritiker als das höchste der Gefühle bezweichnen.
Was ASP.net oder programmieren angeht, ist das sehr wohl urheberrechtlich relevant, in dingen wie Windows, dem Linux-Kernel oder anderen liegen bis zu 100000 Mannjahre Entwicklung. Natürlich ist alles Relvant nur das Programmierer und Artikelschreiber in der Regel entweder kein Geld für ihre Arbeit verlangen oder die Urheberrechte ohnehin abgeben müssen. Und Linux hat Afaik einen Marktwert von über 10 Millarden Euro, dabei gibts das doch kostenlos...
In der Debatte hat jeder ein Mitspracherecht, Musiker, Authoren, Programmierer, Rechtevertreter, Produzenten, Konsumenten und alle die ich hier aus Platzgründen nicht erwähnen kann. Und viele davon sind nunmal beides, Urheber und Konsumenten.
Es gibt auch bei weitem Genug "richtige" Urheber die sich auf die Seite der Konsumenten stellen, und noch mehr die mit Ihren Gema etc Verträgen unzufrieden sind. Nur werden diese oft von beiden seiten ignoriert.
+seelenquell
Der Wert von kulturellen Werken, die als "Peer Production" geschaffen werden, z.B. Fan Fiction, entstehen, entsteht, bemisst und drückt sich anders aus als bei Werken, die gemeinhin als Literatur bezeichnet werden.
Der Wert freier Software entsteht, bemisst und drückt sich vollkommen anders aus als alles, was man als Kunst bezeichnet.
Ich habe immer das Gefühl, in dieser Debatte wird versucht, eine "Grand Unified Theory" zu kreieren, die Kultur, Kunst, Internet und Wirtschaft erklärt, aber keiner der teilnehmenden Parteien hat sich mit mehr als einem dieser Gebiete befasst. Das ist an sich nicht schlimm, nur leider scheint's niemand zu merken. Die "Verwerter" lernen zum Beispiel gerade, wie das Internet funktioniert und verstehen alles falsch bzw picken sich die skandalösen Punkte heraus, die "Internetter" lernen gerade, wie eine Verwertungsgesellschaft funktioniert, und verstehen alles falsch bzw picken sich die skandalösen Punkte heraus.
Mir war der Hintergrund von Landwehr nicht klar, und ich habe mir auch nicht die Mühe gemacht, ihn nachzuschlagen. Jetzt sehe ich mich in meinen schönsten Vorurteilen bestätigt. Die lassen sich auf die folgende Formel bringen:
Urheberappellunterzeichner sind Egomanen, die sich von der Verwertungsindustrie gegen das, ihr, Publikum aufhetzen lassen - wider die Wirklichkeit, hier dargelegt am Beispiel Sven Regener:
https://m.facebook.com/#!/story.php?story_fbid=10150815147163354&id=563658353&__user=563658353
Die Frage, was die Urheber wollen, wird Landwehr also nicht beantworten können, es sei denn die Antwort ist: Was die Verwertungsindustrie will, wohinter eigentlich steckt: Ich will so viel Geld und so wenig Kontakt wie möglich vom Publikum.
Wie wärs mit dem guten alten Telefonanruf? Damit weiß man nämlich auch, ob der Betreffende vielleicht unterwegs ist ... Mails dienen doch nie der schnellen Kontaktaufnahme, bei 1 Million Spam pro Tag.