BKA-Statistik zur Vorratsdatenspeicherung richtig lesen

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Das BKA hat eine „statistische Datenerhebung“ veröffentlicht, in der es um die Frage geht, was sie durch fehlende „Vorratsdatenspeicherung“ oder „Mindestspeicherfristen“ nicht aufklären konnten. Insbesondere wenn man nicht den Fehler macht, rund 5082 BKA-Daten mit 5,8 Millionen Ermittlungsverfahren bei jeglichen Polizeidienststellen in Deutschland in Beziehung zu setzen, sind da einige sehr interessante Aspekte drin:

In 90,2 % (4584) der untersuchten Fälle suchte das BKA zu einer vorhandenen IP-Adresse den Anschlussinhaber, in nur drei Fällen fand eine Funkzellenabfrage statt. Während die drei Funkzellenabfragen alle erfolgreich waren, waren 4195 Abfragen nach dem Anschlussinhaber von IP-Adressen (91,5%) nicht erfolgreich. Es fanden zudem 467 Verkehrsdatenabfragen statt, also z.B. wer wann wen angerufen hat. 380 waren erfolgreich (81,4%).

Auch wenn man annimmt, dass bei den Landespolizeibehörden vielleicht ein paar mehr Funkzellenabfragen auftreten als beim BKA zeigt dies deutlich: Die Abfrage von Mobilfunkstandortdaten findet extrem selten statt – und war zu 100% erfolgreich. Sprich: die bei den Mobilfunk-Anbietern sowieso vorhandenen Daten reichen aus, die Provider müssen nicht zur Aufzeichnung umfangreicher Bewegungsprofile aller Mobiltelefon-Nutzer gezwungen werden. Auch bei den Telefon-Daten sieht es aus Sicht der Ermittler gut aus.

Fazit

Ausschließlich bei IP-Adressen gibt es nennenswerten Bedarf der Ermittler, der nicht gedeckt ist. Da gleichzeitig die Eingriffstiefe in Grund- und Bürgerrechte bei der Speicherung der Zuordnung von IP-Adressen zum Anschlussinhaber beim Zugangsanbieter äußerst gering ist, zeigt dies wieder, wo die Kompromisslinie bei der Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung liegen kann: Speicherung von IP-Adressen für einige Zeit (z.B. 3 Monate) ja, beim Rest müssen die Ermittler mit dem auskommen was die Provider sowieso für eigene Zwecke speichern. Und damit dies nicht ausufert, sollte das weiter begrenzt werden. 

Das BKA kann aus seinen eigenen Zahlen nicht mehr ableiten, dass die Speicherung von Standortdaten zwingend nötig sei. Also sollen sie diesen Unfug in Zukunt auch bitte nicht mehr behaupten! Ähnlich sieht es bei den Telefon-Daten aus.

Wir Aktivisten sollten aber gleichzeitig nicht einen solchen Quatsch machen und rund 5000 BKA-Fälle mit 5,8 Millionen Straftaten insgesamt vergleichen. Das ist kein Vergleich von Äpfeln mit Birnen, sondern ein Apfel mit einer ganzen Birnbaumwiese. Und irgendwann nimmt einen keiner mehr ernst …

 

4 Kommentare

"Ausschließlich bei IP-Adressen gibt es nennenswerten Bedarf der Ermittler, der nicht gedeckt ist."

Ähm. Nur weil das BKA angefragt hat, bedeutet das nicht, dass Bedarf bestand.

"Da gleichzeitig die Eingriffstiefe in Grund- und Bürgerrechte bei der Speicherung der Zuordnung von IP-Adressen zum Anschlussinhaber beim Zugangsanbieter äußerst gering ist"

Das ist Deine Auffassung. Es gibt mehr als nur einen Grund das anders zu sehen.

Ähm. Nur weil das BKA angefragt hat, bedeutet das nicht, dass Bedarf bestand.

Das BKA („die Ermittler“ im Text oben an der Stelle genannt) hatte Bedarf. Ob Du oder ich oder wer auch immer diesen anerkennen ist eine andere Frage.

[IP-Adressen:] Das ist Deine Auffassung. Es gibt mehr als nur einen Grund das anders zu sehen.

OK, welche denn?


Ciao
Alvar

Bedarf ergibt sich nicht dadurch, dass die Ermittlungsbehörden bestimmte Daten gerne hätten, sondern dadurch, dass sie sie zum Fortgang der Ermittlungstätigkeit benötigen (und selbst wenn sie sie benötigen stellt sich noch die weitere Frage, ob es geboten erscheint, ihnen die Daten zur Verfügung zu stellen; denn das BVerfG hat hierfür "einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus" gesetzt. Für mich bedeutet dass, dass alleine die Abfrage nicht genug ist, sondern dass zeitgleich die Abfrage nur in einem solchen Ermittlungsverfahren zur Begründung einer Notwendigkeit tauglich ist).

Die letzte Frage im Kommentar beantworte ich mit einem Zitat:

"Besonderes Gewicht bekommt die Speicherung der Telekommunikationsdaten weiterhin dadurch, dass sie selbst und die vorgesehene Verwendung der gespeicherten Daten von den Betroffenen unmittelbar nicht bemerkt werden, zugleich aber Verbindungen erfassen, die unter Vertraulichkeitserwartungen aufgenommen werden. Hierdurch ist die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann."

Grüße

Bedarf ergibt sich nicht dadurch, dass die Ermittlungsbehörden bestimmte Daten gerne hätten, sondern dadurch, dass sie sie zum Fortgang der Ermittlungstätigkeit benötigen

Nochmals: das BKA hat Bedarf angemeldet. Nur das habe ich geschrieben. Ob wir diesen Akzeptieren ist eine andere Frage.
Allerdings habe ich das sowieso in anderem Kontext geschrieben: Sie selbst geben den Bedarf nur bei IP-Adresse an.


Die letzte Frage im Kommentar beantworte ich mit einem Zitat:

seufz. Diese Aussage vom Bundesverfassungsgericht bezieht sich auf Telefon- und E-Mail-Kommunikation. Du wolltest mir aber bei den IP-Adressen widersprechen!

Ich finde es immer wieder zu Haare raufen, dass einige ihre Lese- und Verständnisschwäre immer wieder für Vorwürfe auf andere nutzen.

Das Bundesverfassungsgericht hat übrigens auch geschrieben, und zwar zu IP-Adressen:

„[Die Ermittlungsbehörden] erhalten lediglich personenbezogene Auskünfte über den Inhaber eines bestimmten Anschlusses, der von den Diensteanbietern unter Rückgriff auf diese Daten ermittelt wurde. Dabei bleibt die Aussagekraft dieser Daten eng begrenzt: Die Verwendung der [IP-Adressen] führt allein zu der Auskunft, welcher Anschlussinhaber unter einer bereits bekannten, etwa anderweitig ermittelten IP-Adresse im Internet angemeldet war. Eine solche Auskunft hat ihrer formalen Struktur nach eine gewisse Ähnlichkeit mit der Abfrage des Inhabers einer Telefonnummer. Ihr Erkenntniswert bleibt punktuell. Systematische Ausforschungen über einen längeren Zeitraum oder die Erstellung von Persönlichkeits- und Bewegungsprofilen lassen sich allein auf Grundlage solcher Auskünfte nicht verwirklichen. […] Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Internet für die verschiedenartigsten Bereiche und Abläufe des alltäglichen Lebens erhöht sich auch die Gefahr seiner Nutzung für Straftaten und Rechtsverletzungen vielfältiger Art. In einem Rechtsstaat darf auch das Internet keinen rechtsfreien Raum bilden. Die Möglichkeit einer individuellen Zuordnung von Internetkontakten bei Rechtsverletzungen von einigem Gewicht bildet deshalb ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers.“

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