Die Landeskriminämter sind sich uneinig bei der Frage, was als strafbare Kinderpornographie einzustufen ist, was nicht und wer jeweils zuständig ist.
Mitarbeiter des LKA Stuttgart sagen, es wäre richtig sich an die Polizei am Wohnort des Täters (zumeist über IP-Geo-Lokalisierung leicht ermittelbar, wenn die IP-Adresse bekannt ist) zu wenden und es würde sich bei entsprechenden Texten durchaus um strafbare Materialien handeln. Ein Mitarbeiter des LKA Düsseldorf sagte mir heute Abend am Telefon genau das Gegenteil: ich solle mich bei der Polizei an meinem Wohnort melden aber Texte seien nicht Strafbar, nur Fotos und Zeichnungen.
Hintergrund: Im Assoziations-Blaster werden hin und wieder von einzelnen Nutzern kinderpornographische Texte geschrieben. Bei über 880000 Texten ist sowas auch mal dabei. Spätestens wenn sich dies wiederholt stelle ich Strafanzeige bei dem für diesen Nutzer zuständigen LKA oder der entsprechenden Polizei.
Heute war das wieder so, drei Texte von einem alten „Bekannten“ aus Köln. Die Texte beschrieben den Sex von 10-jährigen, wie toll es sei vom eigenen (großen) Bruder entjungfert zu werden und ähnlichen Schwachsinn. Gegen (vermutlich) den gleichen Autor habe ich bereits im Mai, Juni und Dezember 2008 Strafanzeige gestellt. Die Kölner Polizei hat diese damals aber ans LKA in Stuttgart weitergeleitet, was den dortigen Mitarbeiter durchaus verwunderte, wie er mir damals in einer E-Mail schrieb:
Vom Gedankengang her ebenfalls gut und richtig war es, die für den Anschlußinhaber zuständige Polizeidienststelle zu unterrichten. In der Regel sollte dies problemlos funktionieren. Fragen Sie mich in diesem konkreten Fall bitte nicht, warum Ihr Hinweis an unsere Dienststelle weitergeleitet wurde. Im Ergebnis verkompliziert dieser Umstand das Verfahren, weil nun zwei Dienststellen und zwei Staatsanwaltschaften eingebunden sind.
So weit so logisch. Schließlich ist es ja relevant wo der Täter sitzt und nicht wo ich meinen Wohnsitz habe, da ich nur am Rande etwas mit der Sache zu tun habe. Ich kann mir das nur so vorstellen, dass die Kölner bzw. das LKA Düsseldorf zu wenig Personal haben und froh sind, wenn sich eine Möglichkeit bietet erstmal Arbeit loszuwerden. Menschlich durchaus verständlich, im Ergebnis aber ominös.
Zu der Frage, ob ich die Beamten im LKA nur mit noch mehr Arbeit belaste oder ob es richtig ist auch bei Texten Strafanzeige zu stellen (da man ja bezüglich Strafbarkeit durchaus unterschiedlicher Ansicht sein kann) schrieb mir der Beamte des Stuttgarter LKA:
Auch wenn Sie mit Ihrer Einschätzung richtig liegen, dass wir eine Menge Arbeit haben, sollten Sie bitte nicht zögern, uns zu kontaktieren, wenn sich wieder eine ähnliche Verdachtslage ergibt.
Das deckt sich mit den Aussagen aus älteren Fällen. Ein Ermittler aus einem anderen LKA (ich glaube es war Bayern) sagte mir mal, dass normalerweise bei Leuten die solche Texte schreiben auch anderes Material auf dem Rechner gefunden wird.
Die Kollegen vom LKA in Düsseldorf sehen das aber offensichtlich anders: rund 20 Minuten nachdem ich die Strafanzeige per Mail abgeschickt habe erhielt ich einen Anruf aus dem LKA. Der Mensch dort hörte sich an, als ob er über meine Strafanzeige nicht sonderlich erfreut sei. Er sagte mir, dass aufgrund meines Wohnsitzes erst die Stuttgarter Kollegen zuständig seien und prüfen würden, ob eine Strafbarkeit vorliegt. Der Wohnsitz des Täters sei dabei irrelevant. Außerdem sei eine Strafbarkeit bei bloßen Texten nicht gegeben, nur bei bildlichen Darstellungen, auch Zeichnungen.
Tatsächlich ist § 184b StGB nicht eindeutig, es ist nur die Rede von „Schriften, [...] die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben“. § 11 StGB bezieht als Schriften auch „Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen“ ein.
Uneinig über Strafbarkeit, aber dann sperren?
Da stellt sich natürlich die Frage: wenn sich die Landeskriminalämter schon nicht einig sind, was Kinderpornographie ist und was nicht, wie sollen denn dann Webseiten auf Sperrlisten landen? Die einen sagen ja, die anderen nein? Wahrscheinlich soll es auf die britische Lösung hinauslaufen: Einfach mal sperren, dann hat man weniger Arbeit. Verdacht reicht aus.
Der Vermutung, bei der Kinderpornographie-Sperre handelt es sich also auch um eine Arbeitsvermeidungs- und Personal-Spar-Strategie, kann ich daher nicht wirklich widersprechen. Nach dem Motto: Strafverfolgung ist aufwändig, personalintensiv und rechtlich manchmal nicht ganz eindeutig – aber Sperren ist billig, einfach und alles was verdächtig ist kann da einfach mal auf der Sperrliste landen. Und man muss dann ja nichts vor Gericht beweisen, es kontrolliert eh niemand und man tut vermeintlich etwas gegen das Böse. Am Dienstag sollen die Provider in einer nicht-öffentlichen Kungelrunde von der neuen chinesischen Linie der Bundesregierung überzeugt werden.
Und die Täter? Nun, die Täter kommen bei einer solchen Strategie häufig ungeschoren davon. Manchmal erwischt man dann bei medienwirksamen Aktionen mit großen Zahlen Unschuldige die Job und Familie verlieren, das sind dann eben die Kollateralschäden beim Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit (und manchmal auch beim Kampf gegen das Böse).
Und um nochmal zum Ursprung zurück zu kommen: Ich bin mir tatsächlich nicht sicher, ob ich solche wie die vorgefundenen Texte tatsächlich als strafbar oder „nur“ als ekelige und nervige Trollerei einzustufen habe. Aber die Strafverfolgungsbehörden sollten sich da durchaus auf eine einheitliche Linie einigen. Und zudem erschließt sich mir logisch nicht vollständig, warum denn Zeichnungen strafbar sein sollen, aber detaillierte Texte, die den sexuellen Mißbrauch 8-12 jähriger Kinder zum Inhalt haben, nicht. Mir scheint dies verfassungsrechtlich nicht vertretbar, hier einen Unterschied zu machen (Gleichheitssatz). Sprich: entweder sollten sowohl Zeichnungen als auch Texte strafbar sein oder nicht.
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